Maut-Betreibern entgeht Viertelmilliarde Nettogewinn

Auftragnehmer kalkulierten bis 2032 mit
Nettogewinnen von 257,4 Mio. Euro / Eigenkapitalrendite vor Steuern
von mehr als 25 Prozent geplant / Basis für Schadensersatzforderungen
gegen den Bund

Berlin, 21. August 2019 – Den vorgsehenen Betreibern der
gescheiterten Pkw-Maut entgehen durch die Vertragskündigung
Nettogewinne in Gesamthöhe von einer Viertelmilliarde Euro. Das geht
aus internen Dokumenten der Auftragnehmer CTS Eventim und Kapsch
TrafficCom hervor, die das Wirtschaftsmagazin –Capital– (Ausgabe
9/2019, EVT 22. August) ausgewertet hat. Ausweislich des
Finanzmodells für die eigens gegründete Mautbetriebsfirma Autoticket
hätten sich deren Nettogewinne über die gesamte zwölfjährige
Vertragslaufzeit bis 2032 auf insgesamt 257,4 Mio. Euro summiert. Bei
dem Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) rechneten die
Autoticket-Eigentümer über die Vertragslaufzeit bis 2032 mit einer
Summe von 382,2 Mio. Euro. Dabei kalkulierten sie dem Finanzmodell
zufolge mit einer Eigenkapitalrendite vor Steuern in Höhe von mehr
als 25 Prozent.

Für Eventim und Kapsch galt die Abwicklung der Maut dank der
bekannten Zulassungszahlen für Pkw als gut kalkulierbares Geschäft.
Die Gewinnplanung wird nun eine zentrale Rolle spielen, wenn es um
die Höhe des Schadensersatzes geht, den die Betreiber nach der
Kündigung des Mautvertrags im Juni geltend machen dürften – neben den
bisherigen Aufwendungen für Personal und anderen Ausgaben. Im Vertrag
ist festgehalten, dass der Bund den Auftragnehmern den
Bruttounternehmenswert der Mautfirma erstatten muss, wenn er den
Vertrag allein aus „ordnungspolitischen Gründen“ wie einem negativen
Gerichtsurteil kündigt. Mitte Juni hatte der Europäische Gerichtshof
(EuGH) die deutsche Pkw-Maut als europarechtswidrig verworfen.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte die Vertragskündigung
allerdings nicht ausschließlich mit der Entscheidung des EuGH
begründet. Darüber hinaus führte er auch Schlechtleistung der
Auftragnehmer als Kündigungsgrund an. Zudem hätten die Betreiber noch
direkt nach der Kündigung des Vertrags durch den Bund am 19. und 20.
Juni mehrere Kontrakte mit Unterauftragnehmern angepasst, wodurch
Ansprüche nachträglich „begründet und signifikant erhöht“
worden seien. Dabei habe es sich um den Versuch einer „treuwidrigen
Schädigung des Auftraggebers“ gehandelt.

Nach Recherchen von –Capital– hatte Scheuer den Betreibern nach
dem EuGH-Urteil am 18. Juni allerdings zunächst nicht mitgeteilt,
dass er die Mautfirma Autoticket abwickeln lassen wolle. Erst am 21.
Juni – zwei Tage nach der Kündigung des Betreibervertrags – ließ
Scheuer die Auftragnehmer informieren, dass er auf die vertraglich
vereinbarte Option verzichte, Vermögensgegenstände der Firma wie das
bereits weitgehend entwickelte Mautsystem zu übernehmen. Erst in dem
Schreiben vom 21. Juni forderte der Bund die Auftragnehmer auch
ausdrücklich auf, die geordnete Abwicklung von Autoticket in die Wege
zu leiten, keine neuen Verträge mehr mit Subunternehmern
abzuschließen und die bestehenden Verträge zu kündigen. Auf Anfrage
von –Capital– wollte sich das Verkehrsministerium nicht zu
detaillierten Fragen äußern.

Pressekontakt:
Thomas Steinmann, Redaktion –Capital–,
Tel: 030/220 74-5119
E-Mail: steinmann.thomas@capital.de
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