Von Reinhard Zweigler
Man könnte sich darüber amüsieren, wenn es nicht so traurig und
bitterernst wäre: Der heraufziehende Wahlkampf lähmt das Land. Und
dabei ist es nicht nur so, dass der von Rot-Grün dominierte Bundesrat
der schwarz-gelben Bundesregierung immer wieder Stolpersteine in den
Weg schiebt. Gleichzeitig streuen Merkel, Seehofer, Rösler und Co.
auch kräftig selbst Sand in Regierungs-Getriebe. Beim
Koalitionsgipfel in der vergangenen Woche kamen die schwarz-gelben
Granden kaum über ein paar kleinere Verständigungen hinaus. Die
angehobenen Leistungen für Contergan-Opfer seien ausdrücklich
ausgenommen. Doch sonst herrscht, wohin man schaut, das große
Belauern und Taktieren. Jeder ist sich selbst der Nächste. Die
Blockade-Republik Deutschland erlebt wieder einmal seine traurige
Auferstehung. Und das ist fatal. Die Finanzkrise ist längst nicht
überwunden, die Euro-Gemeinschaft ist noch nicht fit gemacht für die
Herausforderungen der Zeit und obendrein zeigen sich am
Konjunkturhimmel trübe Wolken. Eigentlich Grund genug, um kraftvoll
Politik für die Bürger und das Land zu machen. Doch Pustekuchen. Zu
einer wirklich weitreichenden Rentenreform sind nicht einmal die
Koalitionäre von Union und FDP in der Lage. Sie haben sich
hoffnungslos verrannt zwischen Mütterente, die richtigerweise von
CSU-Chef Horst Seehofer aufs Schild gehoben wird, und
Lebensleistungsrente, womit Ursula von der Leyen gegen die um sich
greifende Altersarmut angehen will. Was der Wähler in Sachen Rente
bekommt, wenn er im Herbst CSU oder CDU wählt, weiß er nicht.
Wahrscheinlich gibt es zwischen den beiden Unions-Schwestern noch
eine Reihe von anderen Differenzen, die sie in jeweiligen
Wahlprogrammen festzurren wollen. Die CSU streitet etwa weiterhin
unverdrossen für eine Pkw-Maut auf Autobahnen. Sehr zum Ärger von
Autofahrern, ADAC, CDU und Liberalen. Bei der Erbschaftssteuer pochen
die Christsozialen künftig auf Autonomie. Jedes Land solle den
Steuersatz, zu dem Erben löhnen sollen, selbst festlegen. Das wird
ein hübsches Wettrennen um die niedrigsten Steuersätze zwischen
Flensburg und Konstanz geben. Gesucht wird das
Niedrig-Steuer-Bundesland. Für einen Mindestlohn und gegen
Mietsteigerungen in Ballungszentren sind jedoch wieder alle. Mit
Ausnahme der Freidemokraten freilich. Von den versprochenen
Erleichterungen bei der Einkommenssteuer allerdings, einst ein
Wahlkampfschlager von FDP und Union, ist nicht viel übriggeblieben.
Rot-Grün lässt das Vorhaben in der Länderkammer gegen die Wand
fahren. Ebenso wie das Steuerabkommen mit der Schweiz, was dem Fiskus
zumindest einige Milliarden Euro von Steuersündern in die Kassen
spülen würde. Nun gibt es gar nichts. So absurd kann Politik sein.
Einen wahren Knaller im Wahljahr zünden in dieser Woche die
Landesregierungen von Bayern und Hessen: Der Länder-Finanzausgleich
muss weg. So tönt der Ex-Ministerpräsidenten-Kronprinz Markus Söder
seit Monaten. Nun wird die Klage gegen den föderalen Ausgleich nach
Karlsruhe abgeschickt. Wer glaubt, diese Aktion habe nichts mit dem
Wahlkampf in beiden Ländern zu tun, der glaubt vielleicht auch, dass
Zitronenfalter wirklich Zitronen falten. Die jetzt geltende
Ausgleichsregelung, an dem man in der Tat einiges aussetzen kann,
wurde einst unter Edmund Stoiber und unter dem Beifall der CSU
erfunden. Aber das ist heute nicht mehr wahr.
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