Von Bernhard Fleischmann
Zum Tag der Wahrheit war eigentlich der 15. Oktober auserkoren
worden. Nun wissen wir es ein paar Tage früher: Strom wird erneut
teurer, die Umlage für die erneuerbaren Energien steigt um etwa die
Hälfte. Damit steht fest: Kanzlerin Angela Merkel bricht ihr Wort vom
Sommer 2011, als sie versprach, die EEG-Umlage werde die damals
aktuelle Größenordnung nicht übersteigen. Von wegen. Nun ist der
Aufschrei ist groß. Kritiker der Energiewende wettern gegen den
angeblich zu teuren grünen Strom. Es wird getrickst und gelogen. Denn
Fakt ist: Der regenerative Strom an sich ist mitnichten der
Preistreiber. Der Anstieg der EEG-Umlage hat mehrere andere Gründe –
paradoxe Marktmechanismen, Konstruktionsfehler des Gesetzes, falsche
Grundannahmen. Ein Denkfehler: Ohne Ökostrom würden die Preise
weniger stark steigen. Stattdessen sinken die Erzeugungskosten durch
Wind und Sonne enorm, denn es fallen keine Brennstoffkosten an.
Dagegen klettern die Notierungen für Kohle und Gas. Richtig ist, dass
der Aufbau der grünen Infrastruktur viel Geld kostet. Herkömmlicher
Strom wird großteils von längst abgeschriebenen Kraftwerken erzeugt,
die deshalb vergleichsweise niedrige Gesamtkosten aufweisen.
Interessant wird es allerdings, wenn über neue konventionelle
Kraftwerke nachgedacht wird. Dann stellt sich schnell heraus, dass
etwa ein Gaskraftwerk dermaßen teuer ist, dass es sich selbst nach 20
Jahren noch nicht rechnet. Allerdings muss man dabei auch zugestehen,
dass Investoren bei Gaskraftwerken nicht mehr mit einer
Vollauslastung kalkulieren können, weil Ökostrom Vorrang genießt.
Noch viel schlimmer fiele die Bilanz der klassischen Kraftwerke aus,
würden die ökologischen Folgekosten eingerechnet. Dann wäre der
Preisunterschied nahezu egalisiert. Als höchst ärgerlich stellt sich
der Wildwuchs bei den Ausnahmen für stromintensive Betriebe heraus.
Wie kann es sein, dass sich binnen Jahresfrist dieses Quantum
verdreifacht? Hier gibt es offensichtlich gewaltigen Missbrauch,
indem Firmen ihren Stromverbrauch in die Höhe treiben, um EEG-Umlage
zu sparen – das lohnt sich! Obendrein werden die Ausnahmen zu
großzügig gewährt. Eine Subvention, zu der sich eine zweite
hinzuaddiert: Ökostrom drückt zumindest zeitweise – wenn er in großen
Mengen anfällt – die Preise an der Strombörse. Dort kaufen diese
Firmen ihren Strom und profitieren somit doppelt. Aus dem Ruder läuft
die Energiewende durch mangelnde Koordination. Anstatt Anlagenausbau
und die Anpassung der Netze harmonisch zu verknüpfen, macht jeder was
er will. Jedes Bundesland plant für sich allein, brüstet sich mit
seinen Ausbauplänen. Logisch, die fälligen Steuern gehören den
Ländern; und die Kaufkraft aus der EEG-Umlage ist auch willkommen.
Dass sich Bayern einen gehörigen Teil seiner Zahlungen in den
Länderfinanzausgleich indirekt durch den gewaltigen Boom von
Solaranlagen im Freistaat zurückholt, ist nicht nur eine böse
Unterstellung. Der Bund muss einschreiten und einen verlässlichen
Plan erstellen. Ehe er das glaubwürdig tun kann, sollte er mit gutem
Beispiel vorangehen und die hinderlich verschachtelten Kompetenzen in
einem Ministerium konzentrieren. Und wenn etwas schief läuft, wie
zuletzt die Netzanbindung der Offshore-Windparks, dann bürden
Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Altmaier die absehbaren
Kosten nicht den verantwortlichen Unternehmen, sondern wieder
größtenteils den Stromverbrauchern auf. Das EEG-Gesetz in seiner
jetzigen Form macht Investoren (auch die Betreiber von Solar- und
PV-Anlagen!) und Großverbraucher zu Gewinnern, die Normalabnehmer
zahlen die Zeche. Es funktioniert als gigantische
Umverteilungsmaschinerie von unten nach oben – und die erneuerbaren
Energien werden als Sündenbock vorgeschoben.
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