Mittelbayerische Zeitung: Die alte Show

Die jährliche „Nobelpreiswoche“ hat begonnen.
Niemand wird all den verdienten Wissenschaftlern, Dichtern oder
Bürgerrechtlern ihre edlen und mit viel Geld verbundenen
Auszeichnungen neiden – den brillanten Zellforschern Gurdon und
Yamanaka schon gar nicht, im Gegenteil. Dem 1901 begründeten
Nobelpreis geht unverdrossen ein Ruf wie Donnerhall voraus, der
allerdings kontinuierlich verblasst. Zu groß ist die Zahl der
Forscher, die Bahnbrechendes leisteten, aber Jahr für Jahr übergangen
werden. In jedem Jahr gibt es Gelächter, Kritik und offene Briefe an
die schwedische Jury, deren Mitglieder oft nur ihr eigenes Fach
lieben. In Alfred Nobels Testament steht, dass der Preis denjenigen
verliehen werden soll, die „im verflossenen Jahr der Menschheit den
größten Nutzen geleistet haben“. Davon kann kaum die Rede sein, wenn
der betreffende Wissenschaftler schon alt und weiß oder, wie bei
Ralph M. Steinman 2011, tot ist. Zu Nichtentscheidungen und
rätselhaftem Proporzdenken gesellen sich Fehlentscheidungen wie z. B.
der Preis für Wirtschaft 2011, den Sims und Sargent mitten in der
Schuldenkrise für ihre Theorie des ökonomischen Gleichgewichtes
kriegten. Vollends abstrus wird es bei der Bekanntgabe des
Literatur-Nobelpreisträgers am Donnerstag. Selbst wenn ihn heuer nun
endlich Philip Roth bekommen sollte, sind die Fehlentscheidungen für
Le Clézio, Dario Fo, Gao Xingjian oder Harold Pinter noch zu frisch.
Solange Fachgebiete und Geheimjury in ihrem 19. Jahrhundert
steckenbleiben, bleibt das ganze Nobelpreis-Theater nur eine
Traditionsshow mit hohen Einschaltquoten.

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