Mittelbayerische Zeitung: Die olympische Idee braucht Feuer – Bei den Bürgerentscheiden zu den Winterspielen 2022 in Bayern spielen zu viele falsche Argumente eine Rolle. Von Christine Schröpf

Ein klares Ja zu Olympischen Winterspielen 2022
in Bayern, aus so vielen Gründen: Der Freistaat wird zum Treffpunkt
für Sportler aus aller Welt, die mit oder ohne Handicap am Start
sind. Schließlich haben sich die Paralympics-Wettkämpfe für
behinderte Athleten als genauso beeindruckend erwiesen. Bayern hat
die Möglichkeit, sich als weltoffen und gastfreundlich zu
präsentieren. Nur ein Randaspekt ist dabei, dass München die Chance
bekommen würde, mit einem Double Geschichte zu schreiben: Als erste
Stadt, in der 50 Jahre nach den Sommerspielen 1972 auch noch
Winterspiele über die Bühne gehen. Alles zu rosarot gezeichnet?
Mitnichten. Der olympische Gedanke hat durch ein rigide agierendes
Internationales Olympisches Komitee (IOC), durch Auswüchse bei
früheren Spielen und Fehlverhalten einzelner Sportler zwar Schrammen
bekommen, die Idee des friedlichen Wettstreits der Nationen verliert
dennoch nichts von ihrer Faszination. Es steht allerdings zu
befürchten, dass der Traum vom Wintermärchen am Sonntag bei den vier
Bürgerentscheiden in München, Garmisch-Partenkirchen sowie den
Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden auf kurzem Weg zum Platzen
gebracht wird. Die Gegner müssen nur bei einer einzigen Abstimmung
die Mehrheit erringen. Zack, schon ist das Projekt wohl für lange
Zeit beerdigt. Kaum einer glaubt , dass Bayern rasch einen weiteren
Anlauf wagen würde. Die Kritiker von Winterspielen führen ein Bündel
von Gründen ins Feld. Nur zwei davon sind wirklich diskussionswürdig:
Die Sorge um die Natur – die durch den Bau olympischer Anlagen
Schaden nehmen kann – und die Kritik am IOC. Als K.o.-Kriterium
taugen beide Einwände aber im konkreten Fall nicht. Gerade das
bayerische Konzept stützt sich zu 85 Prozent auf bereits bestehende
Anlagen. Wo Neues entsteht, können Umweltschützer bei Schwachstellen
korrigierend einwirken. Gegenüber dem IOC wird Bayern als
selbstbewusster Verhandlungspartner auftreten – unterstützt von einer
hochsensiblen Öffentlichkeit. Das wird manch unliebsamen Vertrag wohl
nicht verhindern. Von vornherein kampflos zu kapitulieren, ist aber
keine Lösung. Das mag man auch anders sehen. Die Sorge um die Natur
und die Skepsis gegenüber den IOC sind ja tatsächlich berechtigt.
Anders verhält es sich mit einem guten Dutzend anderer Argumente. Ein
paar Beispiele? Gerne. Vielleicht schneit–s 2022 nicht, lautet einer
der hübscheren Einwände. Echt jetzt? Vielleicht hat Bayern in der
Endauswahl ohnehin keine Chance, heißt es von den Pessimisten.
Richtig, lautet die Antwort. Ohne Risiko geht–s nicht.
Differenzierter zu betrachten ist, dass München und Teile Oberbayerns
aus eigenem Überfluss zunehmend das Interesse an Neuem verlieren. Die
Grundhaltung „Wir haben schon alles, brauchen und wollen nichts mehr“
entspringt dabei nicht nur inakzeptabler Saturiertheit, über die man
in anderen, weniger begüterten Landesteilen nur den Kopf schütteln
kann. Im Kern steckt dahinter auch eine ernst zu nehmende Sorge.
Bürger der Boomtowns und Touristenzentren glauben, sich das Leben
dort selbst nicht mehr leisten zu können, wenn der Standort noch
attraktiver wird. Schon beim Bürgerentscheid gegen eine dritte
Startbahn am Münchner Flughafen hatte das eine zentrale Rolle
gespielt. Hier muss die Politik dringend Druck aus dem Kessel nehmen
und die Knappheit an Wohnungen und anderen Ressourcen schnellstens
abbauen. Ein notorisches Festklammern Besorgter am Status quo hat für
ganz Bayern Folgewirkungen. Bei einem Nein zu Winterspielen mag zu
verschmerzen sein, dass ingesamt 1,3 Millionen Stimmberechtigte den
Kurs für 12,5 Millionen Bayern festzurren. In anderen Fragen ist es
fatal, wenn der Freistaat in der Disziplin des Bedenkentragens zu
Weltbestform aufläuft.

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