Mittelbayerische Zeitung: Digitaler Ruck / Kommentar zum Internet-Kongress Re:publica in Berlin

Dass die Digitalisierung eine echte Revolution
bedeutet, sollte zum Allgemeinwissen gehören – in einer Zeit, in der
die meisten Deutschen ein Smartphone nutzen und regelmäßig online
einkaufen. Doch wie wichtig es ist, diese Revolution mitzugestalten,
begreift nur eine kleine Minderheit. Und daran wird auch die
Konferenz Re:publica nichts verändern. Fakt ist: Durch Deutschland
muss ein digitaler Ruck gehen. Die große Politik muss mehr tun, als
Breitbandausbau und Industrie 4.0 zu fördern. Sie muss dafür sorgen,
dass die Digitalisierung die Gesellschaft bereichert – und nicht nur
mächtige Technologie-Konzerne. Und die digitale Avantgarde muss
stärker dafür kämpfen, dass das geschieht. Die Digitalisierung geht
alle an: Sie verändert politische Prozesse, birgt Chancen und
Gefahren für Arbeitswelt und Privatleben, krempelt Wirtschaftszweige
um. Doch die Enthüllungen über die skandalösen Spionage-Praktiken
US-amerikanischer und deutscher Geheimdienste empören viel weniger
Menschen als mancher Transfer in der Fußball-Bundesliga. Und die
Einladung zur Re:publica 2015 nahmen weder EU-Digitalkommissar
Günther Oettinger noch Bundespräsident Joachim Gauck an. Schuld am
Desinteresse für das große digitale Ganze tragen auch Teile der
sogenannten „Netzgemeinde“. Zu sehr geben sich viele ihrer Mitglieder
damit zufrieden, zur digitalen Bohème zu gehören – und tun zu wenig,
um die Gesellschaft aufzurütteln.

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