Mittelbayerische Zeitung: In der Falle

Von Roman Hiendlmaier

Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz: Es dürfte gestern
Unruhe aufgekommen sein in den Chefetagen der Autohersteller, nach
der Botschaft über die neuesten Gängeleien aus Peking. Ob man in
München, Stuttgart und Ingolstadt früher informiert war, sei
dahingestellt – eine Strafsteuer zu verkünden und binnen 24 Stunden
auch zu vollziehen ist ein starkes Stück. Dass die Führung im Reich
der Mitte nicht zimperlich ist, dazu braucht es keine Berichte von
Menschenrechtsaktivisten mehr – ein Blick in den Wirtschaftsteil
genügt. Um ihr Ziel des Wirtschafts-Weltmeisters zu erreichen, ist
die Staatsmacht unerbittlich: Wer in den größten Binnenmarkt der Welt
will – und das wollen alle – der hat gefälligst auch das zu
importieren, was darin hergestellt wird. Wem das nicht passt, der
bekommt eins auf den Deckel – fein dosiert, je nach Grad der
Widerspenstigkeit. Marktwirtschaftliche Standards werden durch das
physikalische Gesetz des längeren Hebels ersetzt. Dem hat sich auch
die deutsche Autoindustrie zu unterwerfen, im jüngsten Fall, ohne
dafür etwas zu können. Unfreiwillig heißt jedoch nicht unschuldig.
Kritiker warnen seit Jahren, dass die fantastische Marktperspektive
in China eine Falle ist. Einmal hineingetappt, sind die Exporteure
der Staatsmacht fast völlig ausgeliefert: Mit ihnen kann man
politischen Druck auf die Regierungen ausüben, oder sie als Ventil
benutzen, wenn von irgendwoher der Druck in Menschenrechtsfragen mal
wieder steigt. Die neueste Repressalie bedeutet nicht, dass die Falle
zugeschnappt ist. Aber sie hat ihre Zähne gezeigt, eine Schwachstelle
getroffen. Dass in München, Stuttgart und Ingolstadt nicht laut
aufgejault wurde, zeigt, dass man dort verstanden hat, woher der Wind
weht. Hoffentlich ist man dagegen auch gewappnet.

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