Mittelbayerische Zeitung: Je später, desto lauter

Dass der befürchtete große Clash im Kosovo
gestern ausblieb, darf einen noch nicht beruhigen. Die Extremisten
und Schmuggler im Norden des Kosovo verfügen über Energie und
Disziplin. Irgendeinen Pfeil werden die Regisseure der Aufwallungen
und Brandschatzungen der letzten Jahre wohl noch im Köcher haben.
Aber selbst wenn, mit viel Glück, Zusammenstöße ausbleiben: Der
politische Schaden, den die fünf federführenden Westmächte im Kosovo
mit der einseitigen Übernahme der Grenzübergänge angerichtet haben,
übersteigt den operativen Nutzen in jedem Falle. Wirklich erreicht
ist kaum etwas. Wollte man den Norden des Kosovo schmuggelsicher
machen, so müsste man neben den zweien von gestern noch einige
Dutzende weitere Übergänge besetzen und zwischen ihnen regelmäßig
patrouillieren – in einem unübersichtlichen Gebiet mit einer
feindseligen Bevölkerung ein Ding der Unmöglichkeit. Vertan ist aber
viel: Das zarte Pflänzchen des Vertrauens, das in den Gesprächen
zwischen Serbien und dem Kosovo im letzten halben Jahr gekeimt hat,
ist zertreten. Ein fataler Weg hat da begonnen. Bleiben Kämpfe und
Brände aus, werden Prishtina und die Westmächte ihre eingeschlagene
Route fortsetzen und als Nächstes versuchen, die Anführer im Norden
des Kosovo einzusperren und durch Vertrauensleute der
Kosovo-Regierung zu ersetzen. Spätestens da müssen sie scheitern. Je
weiter man vorankommt, desto größer am Ende der Knall.

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