Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu 50 Jahre Nutella: Suchtfaktor von Isolde Stöcker-Gietl

In einem 400-Gramm-Glas-Nutella stecken 72
Würfelzucker. Schlecht für die Figur und auch für die Zähne. Und
trotzdem essen 70 Prozent der Deutschen Nutella. Warum? Weil der
Schokoaufstrich schöne Gefühle transportiert. Ein Stück Kindheit, die
man sich aufs Toastbrot schmieren kann. Ferrero, dem Hersteller von
Nutella, ist es gelungen, den Energiegehalt in unserem Bewusstsein
zur Nebensache zu machen. Das ist aus Marketingsicht genial, aus
Sicht der Verbraucher aber problematisch. In den 60er Jahren
empfahlen Kinderärzte bei schlechten Essern Nutella zum Frühstück.
Diesen Rat würde heute wohl niemand mehr geben. Denn inzwischen weiß
man um das Suchtpotenzial des Brotaufstrichs. Es gibt Junkies, die
die Creme löffelweise ohne Brot essen. Da kommt was zusammen bei 100
Kilokalorien pro Löffel. Über Patienten, die sich zur Gewichtsabnahme
ein Magenband einsetzen haben lassen, liest man, dass sie sich bei
Fressanfällen Nutella in der Mikrowelle verflüssigen und gläserweise
trinken. Auch darin zeigt sich, dass Nutella nicht nur Nahrung,
sondern ein besonderes Gefühl ist. Ein Gefühl, das die Menschen nicht
mehr verdrängen können, wenn sie erst einmal angefüttert sind. Doch
allein Nutella die Schuld dafür zu geben, dass wir immer dicker
werden, wäre ungerecht. Wer Übergewicht hat, der isst von allem zu
viel und bewegt sich zu wenig. Das Problem mit der Creme: Man hat sie
– dank geschickter Werbung – als gesunde Frühstückszutat verortet,
dabei hat sie den Kaloriengehalt von Süßigkeiten. Und dort gehört
Nutella auch hin: ins Belohnungsfach. Denn das schöne Gefühl stellt
sich auch bei kleinen Mengen ein, und dann macht es nicht dick!

Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weitere Informationen unter:
http://