Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Merkel/Kramp-Karrenbauer

Vorentscheid für Merkels Nachfolge

von Reinhard Zweigler

Das war eine Personalentscheidung ganz nach der Art von Angela
Merkel: unaufgeregt, vertrauensvoll, verlässlich. Mit der Nominierung
von Annegret Kramp-Karrenbauer für den Posten der
CDU-Generalsekretärin hat Merkel eine wichtige Weiche gestellt für
die Zeit nach ihr an der Spitze der Partei und vielleicht auch der
Regierung. Nicht den Star der Konservativen und zugleich ihren
größten innerparteilichen Kritiker Jens Spahn machte die
Langzeit-Vorsitzende zum Parteimanager, sondern die bodenständige
„AKK“. Eine, die Politik so versteht und so macht wie Merkel selbst.
Grundsolide, ergebnisorientiert, in kleinen Schritten. Man könnte in
gehässiger Weise auch sagen: langweilig. Seit den deftigen Verlusten
bei der Bundestagswahl rumort es in der CDU mächtig. Gedämpft wurde
die Kritik nur von den Koalitionsverhandlungen, erst im Jamaika-,
dann im noch unbeliebteren GroKo-Format. Doch als schließlich das
Koalitionspapier und die Ressortverteilung vorlagen, wurde aus dem
lauen Lüftchen ein Sturm der Entrüstung. Dass Merkel, um ihre vierte
Kanzlerschaft zu retten, das Finanzressort an die SPD abgetreten hat,
verzeihen ihr viele in der CDU nicht. Die programmatische und
personelle „Erneuerung“ der regierungsmüden Partei ist noch das
Mindeste, was von der Vorsitzenden verlangt wird. Zumindest was das
CDU-Führungspersonal betrifft, hat Merkel nun reagiert. In
Kramp-Karrenbauer fand sie eine kongeniale Partnerin, die in der CDU
sowohl den konservativen, als auch den christlich-sozialen Flügel
wieder kräftig schlagen lassen will. Eine eher stramm-rechts
orientierte Ausrichtung wird es weder mit Merkel noch mit
Kramp-Karrenbauer geben. Eine Überbetonung des Christlich-Sozialen,
die viele mit Merkels Schwenk in die Mitte befürchten, allerdings
auch nicht. Und für eine „konservativen Revolution“, wie sie
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ausgerufen hat – ohne zu
sagen, was er damit eigentlich meint -, hat Kramp-Karrenbauer nichts
übrig. Im Umgang mit Schwestern kenne sie sich allerdings aus, meinte
die Saarländerin, die aus einer Großfamilie kommt. Unter dem braven
Noch-Generalsekretär Peter Tauber war das Konrad-Adenauer-Haus zu
einer Wahlmaschinerie für die Kanzlerin geschrumpft. Auch
Parteimanager vor Tauber kamen und gingen, ohne der immer noch großen
Volkspartei neue Impulse verleihen zu können. Die Funktion der CDU,
wie auch der CSU, bestand darin, die Macht der Regierungschefin
abzusichern. Dazu wurden Wahlkämpfe inhaltlich entleert, wirkliche
Debatten in der Partei eingehegt, Parteitage erstarrten zu
Jubelkongressen, deren Ergebnisse vorher bis ins Kleinste abgestimmt
waren. Es muss sich nun freilich erst noch zeigen, ob
Kramp-Karrenbauer das starre Partei-Korsett wird sprengen können, ob
sie die CDU öffnen kann für die großen gesellschaftlichen
Herausforderungen der Zukunft – von der Digitalisierung bis zur
Demografie – für neue Wählerschichten, ohne die alten zu vergraulen,
für junge Leute, für mehr Frauen, für städtische Milieus, in denen
die CDU, trotz Merkels Schwenks, nicht wirklich Fuß fassen konnte.
Dabei geht es auch um die Zukunft von Volksparteien überhaupt. Die
SPD scheint gerade dabei, dem Absturz ihrer westeuropäischen
Schwesterparteien zu folgen. Bei CDU und CSU ist noch nicht klar,
wohin die Reise geht. Geben sie Antworten auf die drängenden Fragen
der Zeit und haben sie dazu noch überzeugendes, vertrauenswürdiges
Personal, könnte ihnen das Schicksal anderer konservativer Partei
erspart bleiben, die in der Bedeutungslosigkeit verschwanden. Gelingt
das nicht, dann könnte auch in Deutschland die Zeit für
personengetragene Sammlungsbewegungen à la Macron kommen.
Kramp-Karrenbauer will genau das verhindern.

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