Während die Bayern nun in die Ferien gestartet
sind, liegt über dem Land eine Hitzewelle – nicht nur die echte mit
täglich über 30 Grad. Auch das gesellschaftliche Klima ist aufgeheizt
seit Monaten, vielleicht so sehr, wie noch nie. Wer dieser Tage einen
Blick in die Sozialen Netzwerke wirft, dem wallt eine heiße Wand aus
Erregung entgegen. Häme ist da noch das Angenehmste, was sich bei
Twitter oder Facebook zeigt, oft ist es Aggression und vor allem:
Empörung. Alles wird immer im Ton einer absoluten Grundsatzdebatte
diskutiert, sofern das Wort die Art der keulenschwingenden
Auseinandersetzung überhaupt trifft. Wer seine Meinung hat, hat die
Wahrheit gepachtet. Der andere ist ein Idiot, so der Tenor. Und weil
es viele gibt, die so denken, hat sich die veröffentlichte Meinung im
Netz sämtlicher Grautöne entledigt; es gibt nur noch schwarz und
weiß, gut und böse, wobei jeder glaubt, der Gute zu sein. Diese Art
Entrüstungsextase macht leider auch nicht halt vor Journalisten, die
natürlich ihre Meinung haben und diese – siehe diese Zeilen – auch
veröffentlichen. Aber es kommt auf den Stil an. Kolleginnen und
Kollegen, die sich permanent über die CSU empören oder über die AfD
entrüsten, laufen Gefahr, ihre eigene Glaubwürdigkeit und die der
Branche aufs Spiel zu setzen. Der Vorwurf, dass Medien nur mehr
einheitliche Meinungen vertreten, ist schwer zu entkräften, wenn
Medienmacher Teil der Empörungsspirale sind. Das bedeutet nicht, dass
man gut finden muss, was in München gesagt und beschlossen wird. Es
bedeutet auch nicht, dass man es hinnehmen muss, wenn AfD-Spitzenfrau
Alice Weidel auf Twitter davon spricht, dass man sich „unser Land
zurückholen“ müsse (zumal „unser Land“ recht diffus ist; ab wann hat
man Anspruch auf ein Stück Deutschland? In der zweiten, dritten,
x-ten Generation? Noch skurriler wird es, denkt man daran, dass
Weidel in der Schweiz lebt). Eine Meinung hat jeder. Auch das Recht
zur Empörung. Aber jeder sollte sich überlegen, ob er jedes Mal auf
die Bäume steigen muss – und ob er sich und dem Gesamtdiskurs nicht
schadet, wenn er dieses Auf-den-Baum-Steigen und von dort
Herunterbrüllen auch noch öffentlich macht. Es wäre zudem falsch zu
glauben, dass diese Hitze der meist unsachlichen Debatten keine
Auswirkung auf das Leben außerhalb der Filterblase der Sozialen
Netzwerke habe. Die politische Debatte hat ebenfalls eine
Überspitzung und Unsachlichkeit angenommen. Man kann etwa mit dem
politischen Kurs der CSU unzufrieden oder enttäuscht sein, man kann
sie ablehnen, sie zutiefst verachten. Aber ihnen Extremismus oder
Rassismus vorzuhalten, ist Blödsinn. Richtig ist aber, dass der
kläglich gescheiterte Versuch, die Lautsprecher am rechten Rand des
politischen Spektrums durch das Aufstellen noch lauterer
Verstärkeranlagen zu übertönen, Auslöser für den politischen
Klimawandel ist. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder,
Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer und Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt haben mit ihren Zuspitzungen und Verbalattacke das
politische und gesellschaftliche Klima in Deutschland vergiftet. Sie
haben ignoriert, dass die zehn plus X Prozent der Wähler, die die AfD
wählen, nur ein Teil der Gesamtwähler sind, von denen 90 minus X
Prozent eben nicht rechts wählen. Man darf die Zahlen nicht
überbewerten, aber dass vergangenes Wochenende 25 000 Menschen oder
mehr auf die Straßen von München gegangen sind, um gegen die Politik
der CSU zu demonstrieren, ist ein Zeichen. Selbst wenn die Gruppe
derer, die dort demonstriert haben, eine eindeutige politische
Orientierung haben: Wann zuletzt hat sich die Öffentlichkeit so stark
politisieren lassen? Die Menschen interessieren sich wieder für
Politik. Das ist, angesichts der Landtagswahlen, das einzig Gute an
den überhitzen Wochen, die hinter uns liegen. Auch, wenn unsicher
ist, ob es am 14. Oktober auch wirklich ein Donnerwetter geben wird.
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