Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Söder/CSU: Söder im Sinkflug von Christine Schröpf

Nur mehr jeder Dritte in Bayern hält Markus
Söder nach einer neuen Umfrage für einen guten Ministerpräsidenten.
Es gibt etwas freundlichere Zahlen anderer Meinungsinstitute, doch
auch dort befindet sich der CSU-Spitzenkandidat im deutlichen
Sinkflug. Gestartet war er im März mit dem klaren Auftrag seiner
Parteifreunde, die 38,8 Prozent-Schmach des Rivalen Horst Seehofer
bei der Bundestagswahl 2017 vergessen zu machen. Söder hatte aus
jeder Pore verströmt, dass er es vermeintlich besser kann. Doch fast
schon in Rekordzeit hat er sich selbst entzaubert: Durch scharfe
Worte in der Asylpolitik – auch wenn er inzwischen öffentlich
mehrfach Besserung gelobt hat und das Wort „Asyltourismus“ nun auf
seiner Tabuliste steht. Und durch eine Regierungspolitik, die so
viele Wohltaten übers Land streut, dass der rote Faden für Bürger
kaum mehr erkennbar ist. Der Kardinalfehler Söders war sein Part im
neuen „Trio Infernale“ der CSU, das aus einem Machtvakuum geboren
ist. Der politisch angeschlagene Seehofer hat die Verantwortung für
den Landtagswahlkampf an Söder abgetreten und mischt damit als
CSU-Chef in der alles entscheidenden Aufgabe des Jahres 2018 nur am
Rande mit. Söder füllt die Lücke mal mehr, mal weniger – wachsam
beobachtet von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der eigene
Ambitionen hat. In der Asylpolitik schaukelten sich die drei
Alphatiere wechselseitig hoch. Sobald sich einer geäußert hatte,
fühlte sich der nächste berufen, der dritte mochte nicht schweigen.
Dann ging es wieder von vorne los. Treibende Kraft: der Wunsch nach
neuer Glaubwürdigkeit der CSU, die Hoffnung auf hohe Umfragewerte und
das Bestreben, Wähler von der AfD zurückzuholen. Nichts davon sollte
gelingen. Die CSU-Führungsriege übersah, dass viele Bürger in der
Migrationsfrage zwar eine Begrenzung wünschen, inklusive klarer
Regeln, die auch eingehalten werden. Doch keiner goutiert einen
Überbietungswettbewerb im Konzert kaltherziger Töne. Bürgerliche
Wähler sind derzeit empört wie selten zuvor. Das war bei der
„Ausgehetzt“-Demo in München zu beobachten. Die stolze CSU, in Bayern
einst unangefochten, hat massiv an Ansehen eingebüßt. Eine
Entwicklung, die übrigens schon vor Jahren begonnen hat. Früher
sprachen selbst Kritiker der Regierungspartei nicht ab, dass sie den
Freistaat voranbringt. Nun wird die CSU nicht nur immer weniger
gemocht, man traut ihr in Teilen nicht einmal zu, dass sie ihr
Handwerk versteht. Der Zorn, der sich vor allem über Seehofer und
Söder entlädt, ist in seiner Wucht natürlich ungerecht. Seehofers
Äußerungen über die 69 Afghanen, die an seinem Geburtstag abgeschoben
wurden, sind in keiner Weise schönzureden. Sie sind aber alles andere
als typisch für ihn. Wer ihn zehn Jahre als Ministerpräsident erlebt
hat, weiß das genau. Söder wiederum wird zwar nie durch besondere
Feinfühligkeiten auffallen. Unter seinen geschätzt 1000 Ideen fürs
Land finden sich trotzdem eine Reihe von guten. Das neue Pflegegeld
zählt etwa dazu, auch wenn es nicht alle Nöte auf einen Schlag
beseitigt. Das alles gilt aber derzeit nichts. Dem
CSU-Spitzenkandidaten bleiben 65 Tage Zeit, die Stimmung im Land zu
drehen. Theoretisch ist das machbar. Wenn sich über die Hälfte der
Wähler selbst nicht sicher sind, wo sie am Wahltag ihr Kreuz machen,
kann im Moment wirklich niemand sagen, wie es am 14. Oktober ausgehen
wird. Der CSU müsste allerdings im Endspurt ein kleines Wunder
gelingen. Die, die sie zuletzt so sehr gegen sich aufgebracht hat,
bräuchten sehr gute Gründe, um wieder zurückzukehren.
Wahrscheinlicher ist, dass für die CSU mit den aktuell 38 Prozent in
Umfragen noch nicht der Tiefpunkt erreicht ist. Schneidet Söder
tatsächlich deutlich schlechter ab, wird es für ihn politisch sehr,
sehr eng. Ein Minus-Rekord wäre der Beweis, dass er nicht die Kraft
hat, die Partei aus dem Tief zu führen. In der CSU hat am Ende aber
immer und ausschließlich der Erfolg gezählt.

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