Wenn die auflagenstärkste Zeitung des Landes 
meint, dass es Zeit sei zu gehen, ist das kein gutes Zeichen. Die 
britische Premierministerin Theresa May wurde am Montag vom 
Massenblatt „Sun“ freundlich, aber bestimmt dazu aufgefordert, den 
Termin ihres Abgangs bekannt zu geben. Auch von anderen Seiten werden
die Rufe nach ihrem Rücktritt lauter. Frühere Freunde wie Matthew 
d–Ancona fordern jetzt ihren Abtritt ebenso wie Katie Perrior, die 
einst als PR-Berater der Premierministerin arbeitete. Die Tage von 
Theresa May scheinen gezählt. Die Brexit-Hardliner auf dem rechten 
Parteiflügel der Konservativen signalisieren der 62-Jährigen, dass 
sie gewillt wären, für ihren Brexit-Deal zu stimmen, vorausgesetzt 
May verspricht, danach das Feld zu räumen. Die Ultras wollen, dass 
einer der ihren in der zweiten Phase die Verhandlungen über ein 
Freihandelsabkommen mit der EU führt. „Um ihren Deal zu besiegeln und
Brexit zu liefern“, drückte es die „Sun“ aus, „muss sie 
zurücktreten.“ Es ist möglich, dass sich May auf diesen Kuhhandel 
einlässt. Es scheint der einzige Weg, um ihren Deal zu retten, der 
bisher schon zweimal deutlich vom Unterhaus abgelehnt wurde. Eine 
dritte Niederlage, das weiß auch May, kann sie sich nicht mehr 
leisten. Andererseits hat May eine Karriere daraus gemacht, niemals 
aufzugeben. Die britische Premierministerin ist immer wieder 
abgeschrieben, als Auslaufmodell und sogar als 
„Zombie-Premierministerin“ bezeichnet worden. Doch sie ist immer noch
da. Was zeigt, dass sie eine Überlebenskünstlerin ist. Die Erfahrung 
lehrt: Wenn May eines nicht macht, dann ist es aufgeben. Die 
Stehauffrau des Königreichs hat Verbissenheit zu ihrem Markenzeichen 
gemacht. Wie hoch muss ihre Schmerzschwelle sein, fragt man sich, 
wenn sie wieder und wieder vom Unterhaus abgewatscht wird. Warum 
wirft sie den Bettel nicht hin? Doch ihre Renitenz ist legendär. Die 
Frau, die schon im Alter von zwölf Jahren der Konservativen Partei 
beitrat, ist oft mit ihrer Vorgängerin Margaret Thatcher verglichen 
worden. Davon hält May allerdings nichts. Ob sie sich als eine neue 
„Eiserne Lady“ sähe, wurde May gefragt, als sie sich um den 
Parteivorsitz bewarb. „Ich bin meine eigene Frau“, protestierte sie, 
„ich bin Theresa May und ich denke, dass ich die beste Person bin, um
Premierministerin dieses Landes zu werden.“ Auch den Vergleich mit 
Angela Merkel will die kinderlose Pfarrerstochter nicht gerne hören. 
Aber abgesehen von politischen Differenzen gibt es eine ganze Reihe 
von Charakteristiken, die May mit Thatcher oder auch mit Merkel 
verbinden würde: Kompetenz, taktisches Denken, Nüchternheit, 
Nervenstärke, Detailwissen und nicht zuletzt: ein stählerner 
Machtwille. Ihr größtes Problem ist nicht politischer, sondern 
persönlicher Natur: ihre Unnahbarkeit. Sie sei, gab sie öffentlich 
zu, keine gute Small-Talkerin und säße lieber über ihren Akten als 
beim Bier im Pub, um politische Kontakte zu pflegen oder Seilschaften
zu organisieren. Den Spitznamen „Eiskönigin“ trägt sie, weil sie sich
im dienstlichen Umgang betont kühl gibt. Im Privatleben jedoch, 
berichten ihre Vertrauten, sei sie aufgeschlossener und manchmal 
geradezu warmherzig. Doch ihr Führungsstil wird ihr jetzt zum 
Verhängnis. Sie hat praktisch keine Freunde mehr innerhalb der 
Partei. Selbst enge Mitarbeiter in der Downing Street verzweifeln, 
weil May wie eine Sphinx ihre Meinung für sich behält und für gut 
gemeinte Ratschläge unzugänglich ist. Isoliert im Kabinett, kann sie 
sich nur an der Macht halten, weil ihre Ministerriege zwischen 
Befürwortern eines harten oder eines weichen Brexit zerstritten ist. 
Durchaus möglich, dass die Frau, die Sturheit zur Kunstform erhoben 
hat, schließlich doch das Handtuch wirft, um ihren Brexit-Deal zu 
retten.
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