Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Münchner Sicherheitskonferenz

Wer böse ist, der könnte sagen, dass der
Aufstand in Ägypten ein Glücksfall für die 47. Münchner
Sicherheitskonferenz ist. Weil die Krise im Land der Pharaonen ein
handfestes Thema ist, über das die 350 Teilnehmer sprechen können.
Denn was sonst auf der Agenda der dreitägigen Tagung steht, klingt
wenig neu und wenig spannend. Wer aber aufgrund des brandaktuellen
Themas Ägypten hohe Erwartungen an die Sicherheitskonferenz stellt,
wird trotzdem enttäusch werden. Der frühere Name „Wehrkundetagung“,
der Ende der 1990er Jahre abgeschafft wurde, verrät, was das Treffen
von Politikern, Diplomaten und Lobbyisten eigentlich darstellt: Ein
Relikt aus vergangenen Tagen. Noch dazu eines, das hohe Kosten
verursacht. Rund 3000 Polizisten werden im Einsatz sein. Und die
Bürger in der Landeshauptstadt werden sich auf Straßensperren, rigide
Kontrollen und Demonstrationen von Gegnern der Veranstaltung
einstellen müssen. Es wird ein Rätsel bleiben, warum eine derartig
große und hoch gesicherte Veranstaltung ausgerechnet im Hotel
Bayerischer Hof, also mitten in der Stadt, durchgeführt werden muss.
Und dort, in einer Atmosphäre, die am ehesten dem Vergleich mit einem
überdimensionierten Kaminabend auf Einladung eines Gönners standhält,
spricht dann vor allem die westliche Welt darüber, wie es mit dem
Rest der Welt weitergehen könnte. Nun gibt es vielerlei derartiger
Debattierklubs. Aber die G8, die G20 oder die OSZE sind quasi
überstaatliche Gebilde mit einer Satzung oder einer Präsidentschaft.
Die Sicherheitskonferenz aber ist eine rein private Angelegenheit,
deren tatsächlicher Nutzen in der Realität fraglich ist. Weder hat
die jährliche Tagung eine Lösung für die Probleme in Afghanistan –
Dauerthema der Konferenzen – gefunden, noch hat sie geholfen,
Konflikte in der Welt zu verhindern. Auch die Annäherung an Russland
– ein weiteres Dauerthema – ist kein Verdienst der Konferenz. Es wird
sich zeigen, ob aus München an diesem Wochenende echte Lösungsansätze
oder nur Worthülsen etwa für den Flächenbrand kommen werden, der in
den nordafrikanischen Despotien ausgebrochen ist. Handfesteres könnte
das Nahost-Quartett aus USA, Vereinten Nationen, Russland und EU
zustande bringen, das sich am Rande der Sicherheitskonferenz trifft.
Vor allem vor dem Hintergrund der Enthüllungen, dass Israel ein
Angebot der Palästinenser zur Lösung strittiger Punkte im
Friedensprozess ausgeschlagen haben soll, wäre es wichtig, die
Gespräche wieder in Gang zu bringen. Auch dürfte die Überreichung des
unterzeichneten Start-Vertrags zwischen den USA und Russland der
Konferenz den Anstrich hoher Bedeutung geben. Aber es bleibt die
Frage: Braucht es dazu diesen großen Aufwand? Gibt es nicht bereits
genügend andere Bühnen? Und vor allem: Ist die Zeit, in der ein
erlesener Kreis von vor allem westlichen Politikern sich darüber
austauscht, wie die Welt zu sein hat, nicht längst vorüber? Wieder
ist es Ägypten, das den Beweis dafür liefert. Die Despotie eines
Husni Mubarak wurde deswegen geduldet, weil sie dem Westen in den
Kram passte. Sie hielt die Radikalen in Zaum, während sie die
Verbündeten in Ruhe ließ und so selbst zum Verbündeten wurde. Aus
diesem Grund haben sich die USA auch erst sehr spät von Mubarak
distanziert. Nun zielt Außenpolitik zwar immer darauf ab, die
Interessen des jeweils handelnden Staates zu sichern. Aber der
behandelte Staat – in diesem Fall Ägypten – hat eigene Interessen.
Und er hat das Recht, sie ebenfalls umzusetzen. Es ist daher richtig
zu sagen, dass regelmäßiger Austausch zwischen Staaten das wichtigste
Instrument ist, um die Balance zwischen den berechtigten
Einzelinteressen zu finden. Richtig ist aber auch, dass dafür
heutzutage keine überdimensionalen und teuren Kaminabende, für die
der Steuerzahlen mit aufkommen muss, mehr nötig sind. Und richtig ist
auch, dass die einzig wirklich legitimierte Bühne für internationale
Sicherheitsabsprachen in New York steht. Sie heißt Vereinte Nationen.

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