Der Eröffnungszug von Horst Seehofer hat seine
Wirkung entfaltet. Die Rentendebatte rollt. Seehofer hat ein Thema
gesetzt, das den nächsten Bundestagswahlkampf beherrschen könnte. Er
fordert eine Rentenreform. Ob er sich, seiner Partei und der
deutschen Gesellschaft damit einen Gefallen getan hat, wird sich
erweisen. Das Thema Rente in einem Wahlkampf zu verhandeln, ist
heikel. Denn die deutsche Politik muss ein Glaubwürdigkeitsproblem
lösen. Es zeichnet sich ab, dass immer mehr Menschen zwar jahrelang
in die gesetzliche Rentenkasse einbezahlen, aber am Ende ihres
Berufslebens weniger als die Grundsicherung ausbezahlt bekommen. Das
war bekannt. Nun stellt sich jedoch heraus, dass auch der von der
Politik aufgezeigte Ausweg in eine Sackgasse führt. Das Konzept, die
geringere staatliche Rente durch die Riester-Rente auszugleichen, ist
gescheitert. Die Einführung der „dritten Säule“ der
Rentenversicherung, die private Vorsorge, zur dauerhaften Absicherung
des Rentengebäudes hat die dafür nötige Breite der Bevölkerung nicht
erreicht. Die Bezieher niedriger Einkommen haben kaum geriestert,
weil sie schlichtweg kein Geld dafür übrig hatten. Insofern hat
Seehofers Vorstoß seine Berechtigung. Die Angst vor der Altersarmut
schwebt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. Die Standardrente
wird laut Prognosen in 25 Jahren von heute etwa 47 auf 39 Prozent des
durchschnittlichen Arbeitseinkommens geschrumpft sein. Das Festhalten
am alten System kann also kein Weg in die Zukunft sein. Es ist kein
finanzierbarer Weg, wenn man das Rentenniveau nicht absenken möchte.
Und eine Rente ab 70 ist lebensfern. Ins Spiel gebracht werden viele
Vorschläge. Es wird über eine Umverteilung innerhalb des
Rentensystems nachgedacht. Kleine Renten könnten hochgerechnet
werden. Ein Problem: Wie geht man mit denjenigen um, die sich bewusst
entschieden haben, weniger zu arbeiten? Und mit denjenigen, die über
eine hohe Rente des Partners mitversorgt sind? Eine
Umverteilungslösung wäre mit einem hohen bürokratischen Aufwand
verbunden, um Bedürftigkeit zu prüfen. Was sich leicht herstellen
ließe, sind Nachbesserungen bei der Riester-Rente. Die staatliche
Förderung könnte beispielsweise auf tatsächlich Bedürftige
konzentriert werden. Auch ein Vorschlag wie der der Deutschlandrente
steht im Raum. Dabei geht es um ein einfaches, kostengünstiges
Produkt zur privaten Altersvorsorge, die vom Staat organisiert wird.
Das würde das Streben nach Profitmaximierung ausschalten. Abzocke bei
der Vermittlung ließe sich auch vermeiden, wenn die gesetzliche
Förderung auf Policen mit geringer Provision begrenzt würde. Ein
weitaus größerer Wurf im Hinblick auf das Drei-Säulen-Rentensystem
wäre die Einführung einer verpflichtenden Betriebsrente. Wenn es aber
das Ziel ist, Altersarmut zu bekämpfen, ist die Betriebsrente nicht
das geeignete Modell. Denn sie hilft nicht denjenigen, die längere
Zeit arbeitslos waren. Sie hilft nicht den Selbstständigen und auch
nicht denjenigen, die aufgrund von Kindererziehung oder der Pflege
von Angehörigen beruflich zurückgesteckt haben. Was sich rächen
könnte, ist, dass die Regierung schon sehr viele Mittel verpulvert
hat. Die Rente ab 63 und die Mütterrente schlagen mit 150 Milliarden
Euro bis 2030 zu Buche. Und eine Wahlkampfdebatte birgt das Risiko,
dass das umlagefinanzierte, gesetzliche System an sich schlecht
geredet wird. Dabei hat es sich doch gerade in der Niedrigzinszeit
als robust gezeigt. Was das gesetzliche Rentensystem stabilisieren
würde, wäre die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten. Für
Selbstständige mit niedrigem Einkommen brächte das sogar
Erleichterung. Ob eine Partei es wagt, den Zorn der Beamten auf sich
zu ziehen, ist allerdings fraglich.
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