Die Verhandlungen für eine neue große Koalition
laufen. Während Zuwanderung, Rente und Gesundheitsversorgung auch in
der Öffentlichkeit breit diskutiert wurden, drohen die Bereiche
Bildung und Digitalisierung daneben unterzugehen. Dies sind aber
wichtige Zukunftsthemen – bei denen Deutschland jetzt schon
hinterherhinkt. Im Sondierungspapier heißt es zwar gleich auf Seite
1, man wolle „den digitalen Wandel von Wirtschaft, Arbeit und
Gesellschaft für alle Menschen positiv gestalten“ sowie „gleiche
Bildungschancen für alle“ ermöglichen. Die Maßnahmen, auf die sich
CDU, CSU und SPD im Folgenden geeinigt haben, sind aber zum Großteil
altbekannt und zielen eher darauf ab, bestehende Lücken zu schließen
anstatt einen großen Schritt in Richtung Zukunft zu machen. Etwa beim
Netzausbau: Die Parteien wollen bis zum Jahr 2025 einen
„flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen“ erreichen. Finanziert
werden soll das über die Versteigerung der UMTS- und 5G-Lizenzen –
und nur noch der Ausbau mit Glasfasertechnologie soll förderfähig
sein. Klingt erstmal gut. Betrachtet man aber die „Digitale Agenda
2014-2017″ der Bundesregierung wird klar, dass zwischen
Absichtserklärung und Verwirklichung oft Welten liegen. Damals wurde
als Ziel ausgegeben, dass bis 2018 alle Haushalte über einen
Internetanschluss mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50
Megabit pro Sekunde (Mbit/s) verfügen sollen. Erreicht wurde dieses
Ziel bisher nicht, wie ein Blick in den aktuellen Breitbandatlas
zeigt: Gerade in ländlichen Gebieten wie dem Bayerischen Wald oder in
Teilen Niederbayerns kommt weniger als die Hälfte der Haushalte auf
Geschwindigkeiten von 50 Mbit pro Sekunde. Vor allem der Ausbau von
Glasfasernetzen wurde bislang nicht ausreichend gefördert. Hier hinkt
die Bundesrepublik im internationalen Vergleich deutlich hinterher.
Laut der 2016 vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichten
„Digitalen Strategie 2025“ hatten nur sieben Prozent der Haushalte
einen Glasfaseranschluss. Zugang zu schnellem Internet – auch auf dem
Land – ist aber in einer digitalisierten Welt unerlässlich. In einer
2017 veröffentlichen Studie zur Innovationsstärke von 35 wichtigen
Volkswirtschaften landet die Bundesrepublik bei der Digitalisierung
nur auf Platz 17. Wenn Deutschland international wettbewerbsfähig
bleiben will, muss es hier dringend aufholen. Ein weiteres Ziel aus
dem Sondierungspapier ist die Digitalisierung der Verwaltung. Auch
die verschleppt die Regierung seit Jahren. Laut dem „Index für die
digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ (DESI) nutzen nur 19 Prozent
der Deutschen elektronische Behördendienste – damit liegt die
Bundesrepublik auf Platz 23 der EU-Mitgliedsstaaten. Auch im
Bildungsbereich hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten – und
hier sind uns andere Länder ebenfalls oftmals voraus. Trotz vieler
positiver Beispiele sieht die Realität im Jahr 2018 leider noch zu
häufig so aus, dass in sanierungsbedürftigen Schulgebäuden Pädagogen
aus der Generation der „Digital Immigrants“ junge Menschen mit
veralteter Hard- und Software auf die Herausforderungen von Morgen
vorbereiten sollen. Im Sondierungspapier sind zwar Investitionen in
Bildungsinfrastruktur und Digitalisierung angekündigt. Ob diese
ausreichen werden, ist aber fraglich. Fakt ist: Die Schulen brauchen
funktionierende WLAN-Netze, flächendeckend IT-Beauftragte, die
Nutzung von Smartphones oder Tablets sollte ausgeweitet statt
reglementiert werden – und die Lehrer müssen darin geschult werden,
sicher mit der Technik umzugehen und sie dort einzusetzen, wo es
wirklich sinnvoll ist, um den Unterricht zu bereichern. Denn Fakt ist
auch: Mehr Technik macht noch keinen besseren Unterricht.
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