Mittelbayerische Zeitung: „Mittelbayerische Zeitung“ (Regensburg) zur Entwicklungspolitik

von Christine Straßer, MZ

Dirk Niebel trat das Amt als Entwicklungshilfeminister mit dem
Vorsatz an, alles anders machen zu wollen als seine Vorgängerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul. Als Niebel sein „Weißbuch zur
Entwicklungspolitik“ vorstellte, zog er eine „Erfolgsbilanz“. Doch in
Wahrheit steht die Revolution in der Entwicklungspolitik noch aus.
Der Minister kann Erfolge verbuchen. Aber diese Erfolge sind
zweischneidig. Erstes Beispiel: Öffentliche Wirksamkeit. Niebel hat
seinem Ministerium eine neue Sichtbarkeit gegeben – vor allem jedoch,
weil er für Kontroversen sorgte. Ein Knalleffekt war bereits seine
Ernennung zum Chef des Ministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Ausgerechnet der
FDP-Generalsekretär, der im Wahlkampf das Ministerium abschaffen
wollte, kam zum Zug und polterte gleich los. Er kritisierte ein
„Weltsozialamt“. Sein Ziel: Die Entwicklungspolitik in die Mitte der
Gesellschaft rücken. Doch mit seinen Worten hat Niebel die Arbeit
seiner Vorgänger, der Mitarbeiter seines Ministeriums und vieler
Hilfsorganisationen verunglimpft. Zweites Beispiel: Strukturreform.
Unter Niebel wurde die bislang größte Reform der staatlichen
Entwicklungshilfe in Deutschland besiegelt. Unter dem Dach der
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind die
entwicklungspolitischen Institutionen nun zusammengefasst. Niebels
Vorgängerin war an diesem Vorhaben gescheitert. Durch die Fusion soll
teure Doppelarbeit verhindert werden. Genau da setzen Kritiker an.
Niebel wird eine künstliche Aufblähung der GIZ vorgeworfen. Die fünf
Geschäftsführer der verschmolzenen Organisationen blieben im Amt,
hinzu kamen zwei weitere. Einer davon entwickelte sich zu Niebels
größtem Personalproblem: FDP-Mitglied Tom Pätz. Welche
Qualifikationen abgesehen von seiner Parteizugehörigkeit Pätz zu
seiner Karriere verholfen haben, fragte sich selbst der
GIZ-Aufsichtsrat. Pätz werden zudem überteuerte Flüge, luxuriöse
Übernachtungen und üppige Bewirtungen auf Kosten der GIZ vorgeworfen.
Eine Klärung dieser Vorwürfe steht noch aus. Drittes Beispiel: Hilfen
durch die Wirtschaft. Minister Niebel setzt stark auf die Strategie,
gesellschaftlichen Wandel durch die Wirtschaft und ausländische
Investoren anzustoßen. Er entsandte mit den „EC-Scouts“ Spezialisten
in Industrie- und Handelskammern und Auslandskammern, um Unternehmen
bei Investitionen zu beraten. Er schuf Subventionstöpfe, aus denen
Mittelständler Machbarkeitsstudien finanzieren können. Jobs sind
wichtig für die Entwicklung eines Landes. Aber nicht alles was sich
Wirtschaftsvertreter und Politiker wünschen, ist sinnvolle
Entwicklungszusammenarbeit. Außenwirtschaftspolitik mit dem Ziel,
deutsche Unternehmen zu stärken, ist legitim. Entwicklungspolitik hat
aber das Ziel, die soziale, ökologische und wirtschaftliche
Entwicklung eines anderen Landes zu unterstützten. Die Rolle des
Entwicklungsministers am Kabinettstisch besteht darin, der Akteur zu
sein, der die Entwicklung der Welt nicht nur durch eine deutsche oder
eine europäische Brille sieht, sondern die Interessen vieler Länder
vor Augen hat. Brennenden Zukunftsfragen hat sich Niebel in seiner
Amtszeit nicht gestellt. Zuvorderst ist die Armutsbekämpfung zu
nennen. Während der Anteil der Armen an der wachsenden
Weltbevölkerung sinkt, verfestigt sich in einigen, insbesondere
afrikanischen Ländern, die extreme Armut. Einen Plan, um diesen
Armutsmustern zu begegnen, hat Niebel nicht entwickelt.

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