Was haben die Olympia-Befürworter nicht
getrommelt: Aktive und nicht mehr aktive Sportstars, Politiker der
größten Parteien, viele Journalisten warben für ein Ja zu Olympischen
Spielen. Sie taten es 2013, vor dem Referendum in München und drei
oberbayerischen Landkreisen über die Bewerbung für die Spiele 2022 –
und 2015, vor der Abstimmung zur Hamburger Bewerbung für 2024. Doch
es half nicht: Bayern und Hanseaten sagten Nein. Jetzt hat
Bundespräsident Joachim Gauck die totgeglaubte Debatte wiederbelebt.
„Ich fände es gut, wenn Olympia noch einmal nach Deutschland kommt“,
sagte das Staatsoberhaupt bei einem Empfang deutscher Olympioniken.
Fast postwendend äußerte sich auch Alfons Hörmann, Präsident des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Die Debatte mache keinen
Sinn, weil Deutschland die „Olympia-Reife“ fehle. Gaucks Worte sind
fehl am Platz. Hörmanns Worte sind dreist. Und beide haben nicht
verstanden – oder wollen nicht verstehen -, dass die Bürger nicht
Olympische Spiele per se ablehnen. Sondern das, was das
Internationale Olympische Kommittee, das IOC, und die Nationalen
Organisationskomitees aus Olympia gemacht haben. Gaucks Worte sind
fehl am Platz, weil sie nicht zu seinem Amt passen. Sein Statement
mag klingen wie ein großväterlich-netter Wunsch. Der wäre es auch,
wenn Gauck nicht Bundespräsident wäre. Und zu den Aufgaben des
Bundespräsidenten gehört es, für die „Einheit des Staates“ zu stehen
und eine „ausgleichende Stellung“ zu haben. Das hat das
Bundesverfassungsgericht 2014 bekräftigt. Gaucks Satz ist aber eben
nicht ausgleichend. Er ist – anders als seine Stellungnahmen gegen
Fremdenhass und zu Solidarität mit Augenmaß in der Flüchtlingsfrage –
auch kein Appell an die Grundwerte der Bundesrepublik. Mit seinem
Satz ergreift Gauck Partei in einem kontroversen Streit. Das steht
ihm nicht zu. Die Worte von DOSB-Chef Hörmann sind dreist, weil sie
undemokratisch sind. Bürgern die „Reife“ abzusprechen, weil sie in
zwei Referenden anders entschieden haben als vom DOSB gewünscht, ist
atemberaubend arrogant. Es sind ja nicht nur die Hamburger und
Oberbayern, die Olympia abgelehnt haben: Allein vier Städte haben
ihre eigene Bewerbung für Olympia 2022 platzen lassen: das polnische
Krakau und St. Moritz in der Schweiz aufgrund von Volksabstimmungen,
Oslo und Stockholm aus Furcht vor explodierenden Kosten. Mit Schelte
von oben herab wird niemand die Bürger für Olympische Spiele
gewinnen. Das kann nur mit Fakten funktionieren. Das Problem: Es gibt
zur Zeit ziemlich viele Fakten, die gegen Olympia in Deutschland
sprechen. Nach den kürzlich beendeten Spielen in Rio de Janeiro
bleibt unklar, wie viele Milliarden öffentlicher Gelder der Spaß
tatsächlich gekostet hat. Es gab die Posse um das russische Team, das
trotz systematischen Staatsdopings nicht gänzlich ausgeschlossen
wurde. Es gab einen IOC-Funktionär, der wegen des Verdachts auf
Ticket-Schwarzhandel verhaftet wurde. Und die Beispiele von London
2012 und Peking 2008 zeigen: Sind die Spiele vorbei, sind die für sie
errichteten Sportstätten mehr Last als Bereicherung. Trotz all dieser
Probleme ist aber auch klar: Olympische Spiele sind an sich etwas
Großartiges. Sie sind ein globales Lagerfeuer, vor dem sich alle vier
Jahre Menschen von Brasilien bis Sibirien versammeln, um mit
Bogenschützen, Schwimmern und Hockey-Teams mitzufiebern. Sie sind die
Chance für hart trainierende Leistungssportler, alle vier Jahre
einmal aus dem Schatten der Fußballer und Formel-1-Piloten zu treten
und es in die Wohnzimmer und Herzen von Abermillionen zu schaffen.
Olympia sollte es deshalb weiter geben, eines Tages auch gerne wieder
in Deutschland. Aber Olympia muss sich dafür verändern. Die Spiele
sind zum Symbol geworden für ein gewaltiges Problem moderner
Gesellschaften: Dass Gewinne allzu oft privatisiert werden – und
Verluste den Bürgern aufgehalst. Solange sich daran nichts ändert,
finden sich keine Mehrheiten für Olympia in Deutschland. Und das ist
auch gut so.
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