Der Staatsdienst muss zum Nutzen derer geführt
werden, die ihm anvertraut sind, nicht zum Nutzen derer, denen er
anvertraut ist.“ Schon im alten Rom machte sich Marcus Tullius Cicero
seine Gedanken über die Politiker. Edel und hehr sollen unsere
Volksvertreter sein, doch in der Realität sind wir meistens ziemlich
unzufrieden mit ihnen. Kaum eine andere Berufsgruppe muss sich so oft
bewerten lassen. Da gibt es den ARD-Deutschlandtrend, wöchentliche
Forsa-Umfragen, die Meinungsgurus aus Allensbach am Bodensee. Wehe,
wenn in ihren Rankings ein Politiker auf der Beliebtheitsskala nach
unten rutscht: ein Wert von minus 2,5 – wir wissen zwar eigentlich
nicht, was das bedeutet, aber sicher ist das ziemlich schlimm. Wir
lästern über unsere Politstars, wenn sie sich in Bayreuth in Szene
setzen oder Sommerinterviews vor Pseudo-Ferienkulissen geben. Wir
schimpfen über die Quasselei in Talkshows, aber wehe unser regionaler
Politiker kommt nicht zur Einweihung der Turnhalle. Schließlich
bezahlen wir ihn fürstlich für die Präsenz. Kein Politiker kann es
sich mehr leisten, wie einst Otto von Bismarck monatelang auf seine
pommerschen Güter oder heute in der Ferienwohnung in der Toskana zu
verschwinden. Wer nicht präsent ist, ist nicht wichtig. Doch wenn ein
Politiker es auf die ersten Seiten der Boulevard-Medien schafft, ist
auch wieder etwas schief gelaufen. Die angeblichen oder wirklichen
Verfehlungen eines Dominique Strauss-Kahn, eines Christian von
Boetticher oder eines Karl-Theodor von Guttenberg bieten Stoff sogar
für Tränen. Über Staatsmänner oder Frauen, die eben noch als
Hoffnungsträger in Sachen Präsidentschaft, Regierungsamt oder
Parteivorsitz gehandelt wurden, wird der Daumen gesenkt – und das
meistens kollektiv und ohne noch groß darüber nachzudenken, ob die
Beschuldigungen ernsthafter Überprüfung standhalten oder gar etwas
mit der politischen Leistung des nun Verfemten zu tun haben. Ja, wie
hätten wir sie denn nun gerne unsere Politikerinnen und Politiker?
Sanftmütig und langweilig oder etwas extravagant und farbig? Irgendwo
dazwischen lautet wohl die Antwort, denn Fakt ist: Ein erfolgreicher
Politiker muss immer auch ein Selbstdarsteller sein. Nur im stillen
Kämmerlein gedeiht kein Staatsmann. Er muss sich auf Parteitagen, auf
Marktplätzen, im Fernsehen und im Internet bewähren. Und solange er
den Spagat zwischen ernsthaftem politischem Anspruch und notwendigen
Showelementen schafft, schaden ihm kleine Affären nicht. Bill
Clinton, vielen noch in Erinnerung wegen seines engen Umgangs mit
Praktikantinnen, gilt in den verunsicherten USA als Präsident, der
das Land durch die goldenen 90er-Jahre führte. Die CSU und vielleicht
Bayern brauchen heute Horst Seehofer, da wird der Seitensprung in der
Berliner Zeit gerne vergessen. Und schon über Strauß wurde einst nach
einem Besuch in New York samt anzüglicher Begegnung anerkennend
gemurmelt: A Hund ist er scho – so wie noch heute die Franzosen ihren
Dominique auch zu bewundern scheinen. Das Fazit lautet: Ein
durchsetzungsfähiger Politiker steht auch schon mal eine Krise durch.
Wenn aber jemand über eine Affäre stolpert, stand er meistens bereits
vorher auf schwankendem Grund oder er hat wirklich gefehlt. Da gibt
es dann die Parteifreunde, die ihr Wissen über die geheimen Seiten
gerne preisgeben. Da wird in Hintergrundgesprächen schon mal
gestreut, dass der Politiker X zwar nach außen ein gutes Bild abgibt,
aber bei der Leitung des Ministeriums doch hoffnungslos überfordert
gewesen sei. Der Sturz ist die Folge dieses Misstrauens. Das größte
Kapital, das ein Politiker hat, ist nämlich der Vertrauensvorschuss,
den er bei Anhängern und Wählern genießt. Solange die Bürger seine
politische Leistungsfähigkeit wichtiger einschätzen als
Nebengeräusche aus dem oft allzu menschlichen Umfeld, hat er nichts
zu befürchten. Wird ihm zugetraut, erfolgreich die Partei oder das
Land zu führen, den Nutzen von uns allen im Sinne Ciceros zu mehren,
dann hat gerade der eckige und kantige Politiker alle Chancen,
politisch zu reüssieren.
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