Um zu wissen, was einem wichtig ist und wofür
man steht, sind Fronten sehr nützlich. Im Gegenbild gewinnt das
eigene Profil Kontur. Es braucht Reibungswiderstand, damit Funken
sprühen. Und so dient US-Präsident Donald Trump, der wie kein anderer
bisheriger US-Präsident Fronten aufbaut und Menschen ausgrenzt,
dieses Jahr als Stachel für die Verleihung der Oscars, als
Feuerstein, an dem sich das Bekenntnis zu Menschlichkeit und Toleranz
entzünden kann. Moderator Jimmi Kimmel fasst es bei der Gala präzise
in einen Satz: Die Vergabe des weltweit wichtigsten Filmpreises nach
rassistischen Kriterien ist nicht mehr möglich – seit der Wahl von
Donald Trump. 2016 hatte die Auswahl der US-Filmakademie einen
Tiefpunkt erreicht. Bei der Kür kamen afroamerikanische Schauspieler
nicht vor. Der Protest über die weiße Preisträgerliste und über die
Arroganz einer Jury, die die Leistungen nichtweißer Künstler
ignoriert, gärte, griffig formuliert unter dem Hashtag
#oscarssowhite. 2017 ist die Welt eine andere. Die USA werden von
einem Präsidenten geführt, der Mauern bauen will und Feindbilder
nährt, der nukleare Aufrüstung ankündigt und Journalisten von
Pressekonferenzen aussperrt. Und die Oscars gehen an Filme, die auf
Außenseiter schauen. Viele der preisgekrönten Produktionen machen
deutlich, was Menschen jeder Hautfarbe und Religion verbindet,
illustrieren die fatalen Folgen von Hass und Gewalt oder senden
empathische, auch Hoffnung gebende Botschaften aus. Die Kür 2017 ist
eine klare Reaktion auf den Poltergeist aus dem Weißen Haus. Das ist
Grund, warum die maximal gehypte Produktion „La La Land“, die bei den
Golden Globes historisch abgesahnt hatte und mit sensationellen 14
Nominierungen ins Oscar-Rennen gegangen war, am Ende der eigentliche
große Verlierer des Abends wird. Statt des perfekt inszenierten
eskapistischen Musicals, das die leichtfüßige Flucht aus einer
düsteren Welt in glitzernde Romantik anbietet, behängt die
US-Filmakademie „Moonlight“ üppig mit Preisen. Härter könnte der
Kontrast zu „La La Land“ kaum sein. Die Story über einen jungen Mann
– schwul, schwarz, süchtig und arm – bedient gleich mehrere
benachteiligte Gruppen und wird reichlich bedacht. „Moonlight“
gewinnt in der Königskategorie als bester Film, Oscars gehen an die
beiden schwarzen Drehbuchautoren, und mit Mahershala Ali wird auch
noch, so US-Medien, erstmals ein muslimischer Schauspieler geehrt.
Die Traumfabrik wacht auf. Hollywood legt die rosa Brille ab. Feurige
politische Ansprachen – nach dem Vorbild von Meryl Streeps Rede bei
der Golden Globes – bleiben 2017 im Dolby Theatre zwar aus, dafür
bekommt der Präsident permanent Sticheleien und Spott ab. Ashgar
Farhadi, der für „The Salesman“ in der Kategorie bester
nicht-englischsprachiger Film erhält, gibt dem Protest gegen Trumps
Weltbild die profilierteste Stimme. Der Iraner, der der Gala
fernblieb, um ein Zeichen gegen den Einreisestopp zu setzen, lässt
ausrichten: Wer die Welt in Kategorien von „Wir“ und „unsere Feinde“
einteile, „schafft Angst“. Die deutlichste Sprache spricht die
Auswahl der Oscar-Gewinner. Die Liste der Preisträger, die gerade
nicht in Donald Trumps rassistisches Schema vom guten weißen
Amerikaner passen, ist lang, von Viola Davis (in „Fences“, einem Film
von Denzel Washington) bis zu Ezra Edelman und Caroline Waterlow (in
„O.J.: Made in America“, der Doku über den schwarzen Sportstar O.J.
Simpson). Kunst erlaubt uns, die Perspektive zu wechseln, die Welt
weiter zu denken und uns auf Werte und existenzielle Fragen zu
besinnen. Mit den Oscars 2017 hat Hollywood eine würdige Rolle
gefunden. Trump sei Dank.
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