Die Sachlage ist klar: „Die Freiheit des
Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte
Religionsausübung wird gewährleistet.“ So lauten die beiden ersten
Absätze des Artikels 4 unseres Grundgesetzes. Sie gelten, und das
ganz egal, ob besorgten Bürgern, Rechtsextremen oder politischen
Parteien der Bau einer Moschee, einer Synagoge oder eines anderen
Orts der Religionsausübung passt oder nicht. Das heißt aber nicht,
dass hier nicht vieles falsch gemacht werden kann. Der Streit um die
Moschee in Regensburg beweist das ziemlich eindeutig. Wer sagt, dass
bei uns kein Platz ist für Menschen, die sich nicht anpassen wollen,
hat Recht. Wenn er damit aber meint, dass etwa Muslime keinen Raum
haben dürfen, um ihren Glauben auszuüben, sollte die beiden Sätze
oben noch einmal genau lesen. Integration bedeutet nicht
Assimilation. Wer will, dass sich Menschen aus anderen Kulturen
hierzulande zuhause fühlen, sich am Leben beteiligen, einen Beitrag
zur Gesellschaft leisten, kann und darf nicht verlangen, dass sie
ihre Identität aufgeben, sich assimilieren, also völlig angleichen.
Es gibt viele Studien aus den Erfahrungen der Vergangenheit, dass
Assimilation nur durch Zwang funktioniert, und dass es große Probleme
aufwirft, wenn Zuwanderer gezwungen werden, das aufzugeben, was sie
geprägt hat. Integration lässt Menschen den Raum, den sie brauchen,
um sie auch in der Fremde heimisch fühlen zu können. Religion ist
dabei ein wichtiger Punkt. Wer fordert, dass die Ausübung des
Glaubens in einen privaten Raum zurückgedrängt werden muss, öffnet
Tür und Tor für Parallelgesellschaften und macht es Extremisten
einfach. Das alles steht unter einem großen Aber. Wer in Zeiten von
Islam- und Überfremdungsängsten – oder von bewusst geschürten
Islamisierungsängsten – und in Zeiten, wo Nationalisten,
Fremdenfeinde und Islamhasser in den Bundestag eingezogen sind,
glaubt, dass er den Bau einer Moschee einfach per Dekret durchsetzen
kann, hat nichts verstanden. Es mag sein, dass der Bau im
Regensburger Osten samt Minarett eine Sache ist, die die
Stadtverwaltung rein baurechtlich entscheiden kann. Es mag sein, dass
alle verfahrensrechtlichen Bedingungen erfüllt sind. Aber Ängste und
Vorurteile halten sich nicht an Paragrafen und Bauvorschriften. Egal,
ob sie rational begründet sind, oder nicht. Es war die AfD, die das
Thema in Regensburg auf die Agenda gehoben hat. Und es war die CSU,
die reflexartig wie immer versucht hat, den Rechten ihr Thema
wegzunehmen – und es dabei groß gemacht hat. Wer auch immer hinter
den Kreuzen steckt, die auf der Baustelle der Moschee am Wochenende
gefunden wurde: Er hat die Chance erfolgreich genutzt, aus einem
Bauvorhaben, das jahrelang niemand als störend empfand, ein Politikum
zu machen, das es bis in türkische Medien geschafft hat. Und das ohne
Not. Es gibt in der Region genügend Beispiele dafür, dass der Bau
einer Moschee eben kein Streitthema, kein Futter für rechte
Scharfmacher sein muss. Man kann und muss darüber sprechen, ob ein
Minarett wichtig ist für die Ausübung des Glaubens. Man kann und muss
auch darüber sprechen, wer in einer Moschee predigt. Man kann auch
darüber diskutieren, ob eine Ditib-Moschee als religiöser Arm der
türkischen Regierung auch eine politische Institution darstellt. Was
man offensichtlich nicht mehr kann ist so zu tun, als ginge das Thema
niemanden etwas an, außer eine Verwaltung, die Bauherren und die
Gläubigen. Das ist bemerkenswert angesichts dessen, dass
Religionsausübung etwas Privates und Geschütztes ist. Aber
Integration braucht Akzeptanz – auf beiden Seiten. Dazu braucht es
den Austausch. Sonst reden nur die Rechten.
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