Benigna Munsi strahlt, ihre Eltern könnten kaum stolzer sein.
Für die Tochter einer Deutschen und eines gebürtigen Inders ist es ein Highlight
in ihrem Leben, das Christkind des weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkts 
zu sein. Heute eröffnet ihn die 17-Jährige offiziell. Die AfD interpretierte den
Tag ihrer Ernennung auf Facebook aber als Beginn der Auslöschung des 
Abendlandes. Eine bodenlose, rassistische Entgleisung, die bundesweit 
Schlagzeilen machte. Doch so weit hätte es nicht kommen müssen. Ausgerechnet die
erbittertsten Gegner der AfD machten es möglich, dass sich das rechte 
Gedankengut überhaupt so weit verbreitete. So paradox es klingt: Kritiker der 
Rechtspopulisten müssen lernen, deren Entgleisungen in den sozialen Medien zu 
ignorieren. Die Kritik an der AfD hilft ihr oft viel mehr, als dass sie ihr 
schadet. Der Partei reichte ein einziger vergifteter Post, um tagelang in den 
Medien präsent zu sein. Ein AfD-Kreisverband verglich die Ernennung des 
dunkelhäutigen Teenagers zum Christkind mit der Ausrottung der indianischen 
Ureinwohner in den USA. „Nürnberg hat ein neues Christkind. Eines Tages wird es 
uns wie den Indianern gehen“, hieß es in dem Post, der mittlerweile wieder 
gelöscht wurde. Diese Aussage ist eine Unverschämtheit, völlig klar. Dass die 
AfD zurückruderte und sich für den Post entschuldigte, macht es auch nicht 
besser. Der Urheber sei „fix und fertig“ wegen der Auswirkungen seines Posts. Er
nahm aber auch billigend in Kauf, eine 17-Jährige fix und fertig zu machen. Die 
Welle der Empörung war dementsprechend riesig, Politiker bis hoch zum 
bayerischen Ministerpräsidenten lehnten die Äußerungen entschieden ab. Sie 
erhoben öffentlichkeitswirksam ihre Stimme gegen die AfD – und taten damit genau
das, was sich die Partei erhofft. Die schärfsten Kritiker der Rechtspopulisten 
werden jedes Mal unbeabsichtigt zu deren Schoßhündchen. Je lauter sie in den 
sozialen Medien bellen, desto größer die Aufmerksamkeit für die AfD. Je mehr 
Menschen mit einem Post interagieren, ihn mit Freunden teilen oder kommentieren,
desto häufiger wird er auf Facebook ausgespielt. Im Fall des Nürnberger 
Christkinds hat eine Facebook-Seite eines kleinen AfD-Kreisverbandes den Post 
abgesetzt, München-Land mit etwa 1000 Fans. Der Beitrag hätte kaum mehr Leute 
erreicht, wäre er ignoriert worden. Und wäre sang- und klanglos untergegangen. 
Das ist die Krux am Facebook-Algorithmus: Auf der Timeline des Nutzers werden 
nicht nur Themen ausgespielt, die ihn interessieren könnten. Sondern auch 
Themen, die gerade viral gehen. Sprich: Solche, die die Facebook-Community 
besonders beschäftigen. Das war auch beim Post des AfD-Kreisverbandes der Fall. 
Ehe er gelöscht wurde, sprangen Hunderte dem neuen Christkind in den Kommentaren
zur Hilfe. Sie halfen damit aber auch ungewollt der AfD. Nicht falsch verstehen:
Natürlich sollten die Rechtspopulisten weiterhin bekämpft werden. Wenn 
Partei-Oberhäupter wie Höcke oder Gauland wieder verbal entgleisen, muss man das
sogar. Schließlich haben sie in der Partei das Sagen. Die Entgleisungen eines 
unbedeutenden AfD-Kreisverbandes auf Facebook, sollte man – so schwer es fällt –
ignorieren. Denn dieser Fall macht erneut deutlich: Hinter der Verbreitung des 
Facebook-Posts steckt Kalkül. Die AfD ist anderen Parteien auf Facebook haushoch
überlegen. Die Rechtspopulisten betreiben einer Studie des amerikanischen 
Medienwissenschaftlers Trevor Davis zufolge die meisten der Facebook-Accounts, 
die von politischen Parteien in Deutschland betrieben werden. Demnach werden 
Beiträge der AfD auch am häufigsten geteilt, 85 Prozent aller geteilten Posts 
politischer Parteien gehen auf ihr Konto. Für die Unionsparteien, SPD, Grüne und
Co. bleiben nur die Krümel übrig. Auf Bundes- und Länderebene ist die AfD zwar 
nirgendwo Regierungspartei, in den sozialen Medien ist sie hingegen schon längst
an der Macht.
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