Mittelbayerische Zeitung: Zum Thema Inklusion / Ein Marathon

Die Politik feiert die Inklusionsschulen als
großen Wurf in der Bildungspolitik. Aber eigentlich gibt es keinen
Grund zu feiern, denn in Bayern wurde zum Schuljahr 2011/2012 nur
endlich das umgesetzt, was die UN-Behindertenkommission bereits 2009
verlangt hat. Jetzt haben alle Eltern das Recht, ihre Kinder an einer
Regelschule unterrichten zu lassen – auch wenn diese einen
sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Das klingt gut. Aber in der
Praxis kann von Wahlfreiheit noch keine Rede sein. Soll ein
behindertes Kind an einer herkömmlichen Schule unterrichtet werden,
dann bedeutet das für die Eltern noch immer einen langwierigen Kampf,
einen Behördenmarathon. Es gibt keine zentrale Anlaufstelle, wo man
sich informieren kann. Verhandlungen mit dem Bezirk, mit dem
Landratsamt und der Kommune vor Ort sind nötig, bis Fragen wie
Integrationshelfer oder Fahrtkosten geklärt sind. Auch die richtige
Schule will erst gefunden sein. Das dauert. Nicht Wochen, sondern
Monate. Verständlich, dass angesichts all dieser Hürden manche Eltern
von der Idee einer Inklusion ihrer Kinder wieder Abstand nehmen und
doch den „einfachen Weg“ zu den im Volksmund Sonderschule genannten
sozialpädagogischen Förderzentren wählen. Dabei will laut den
Elternverbänden diese Schulform doch eigentlich niemand mehr haben.
Denn Sonderschule – das ist leider die Wahrheit – stigmatisiert die
behinderten Kinder noch mehr. Sie werden aus ihrem Umfeld gerissen –
sie werden ausgegrenzt und verspottet. Wenn Bayern wirklich die
Inklusion von behinderten Menschen will, reichen einige neue
Lehrerstellen nicht aus. Inklusion ist dann erreicht, wenn die
Regelschule für alle Kinder zur Pflichtschule wird. Dann haben Eltern
immer noch die Wahl, wenn sie sonderpädagogische Einrichtungen für
geeigneter halten.

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