Der Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger
Günter Grass entging am 16. August 1961 nur knapp der Verhaftung
durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Das berichtet die
in Halle erscheinende „Mitteldeutsche Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe)
unter Berufung auf eine neue Studie der Stasi-Unterlagen-Behörde aus
der Feder des Projektkoordinators für Bildung und Forschung,
Christian Booß. Wie Booß schreibt, übergaben Grass und sein
westdeutscher Schriftstellerkollege Wolfdietrich Schnurre am 16.
August 1961 dem Sekretär des DDR-Schriftstellerverbandes, Erwin
Strittmatter, einen Protestbrief gegen den Mauerbau. Strittmatter war
zwar Geheimer Informant des Ministeriums für Staatssicherheit mit dem
Decknamen „Dollgow“. Er versäumte es aber, das MfS unverzüglich über
Grass– Besuch in Ost-Berlin in Kenntnis zu setzen; es erfuhr erst mit
zeitlicher Verzögerung über die SED davon. Später entschuldigte sich
Strittmatter gegenüber der Staatssicherheit, „die Verhaftung nicht
veranlasst zu haben“, sprach von einem „Fehler“ und „sagte zu, in
Zukunft so zu handeln“, wie es das MfS wollte. In den Tagen nach dem
Mauerbau galt dort die Devise: „Wer mit feindlichen Losungen
auftritt, ist festzunehmen.“ Für Erich „Mielkes Geheimpolizei“ war
der Vorgang eine „peinliche Situation“, stellt Booß fest. „Eigentlich
war es ihre Aufgabe, die Partei über feindliche Aktivitäten zu
informieren. In diesem Fall war es umgekehrt.“ In dem von Grass
übergebenen Protestbrief heißt es wörtlich: „Stacheldraht,
Maschinenpistole und Panzer sind nicht die Mittel, den Bürgern ihres
Staates die Zustände in der DDR erträglich zu machen.“ Strittmatter
antwortete: „Wir haben diese Maßnahmen begrüßt, weil sie notwendig
waren, um einen Kriegskeim zu ersticken.“
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