Mitteldeutsche Zeitung: Geheimdienst Stasi-Einfluss im Bundestag war geringer als angenommen

Der Einfluss des DDR-Ministeriums für
Staatssicherheit auf Abgeordnete des Bundestages war sehr viel
geringer als zuletzt angenommen. Das ergibt sich nach einem Bericht
der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“
(Freitag-Ausgabe) aus einem Gutachten der Stasi-Unterlagen-Behörde,
das 2010 von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in Auftrag
gegeben worden war und das jetzt fertig geworden ist. Das fast
400-seitige Papier besagt, dass von 1949 bis 1989 neun Abgeordnete
„als bewusst tätige Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) eingesetzt waren.
Die Sozialdemokraten haben mit vier Parlamentariern ein Übergewicht.
Überdies stuft es weitere elf Abgeordnete als „problematisch“ ein.
Diese hätten über einen längeren Zeitraum hinweg Informationen an die
Stasi geliefert. Es blieben jedoch Zweifel, ob eine gezielte
Kooperation vorgelegen habe. Der Autor des Gutachtens, der in der
Forschungsabteilung der Stasi-Unterlagen-Behörde tätige
Wissenschaftler Georg Herbstritt, dementiert entschieden frühere
Einschätzungen aus der Behörde, der zufolge allein im 6. Deutschen
Bundestag 43 Abgeordnete IM gewesen seien und die Stasi damit in
Fraktionsstärke im Parlament vertreten war. Das seien „unhaltbare
Feststellungen“, schreibt er. Ein Sprecher Lammerts sagte der
„Mitteldeutschen Zeitung“, eine Befassung des Parlaments mit dem
Gutachten sei nicht vorgesehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer
der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, erklärte: „Der Einfluss
der Stasi auf den Bundestag wird weit überschätzt.“ Eine Debatte im
Plenum sei daher nicht erforderlich. Man könne die Debatte der
Gesellschaft überlassen. Der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für
den Aufbau Ost, Patrick Kurth, konstatierte hingegen: „Dieses
Gutachten ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Aufarbeitung des
DDR-Unrechts kein Ost-Thema ist, sondern eine gesamtdeutsche
Herausforderung.“

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Hartmut Augustin
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