Das Bundeskriminalamt (BKA) kann nach eigener
Einschätzung auf die Vorratsdatenspeicherung nicht verzichten. Das
ergibt sich nach Angaben der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen
Zeitung“ (Online-Ausgabe) aus dem jüngsten BKA-Gutachten für den
Bundestags-Innenausschuss, das der Zeitung vorliegt. In dem Gutachten
werden die Folgen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur
Vorratsdatenspeicherung evaluiert. Das Gericht hatte das Gesetz über
die Vorratsdatenspeicherung in der vorliegenden Form als
grundgesetzwidrig erachtet. Laut Gutachten bat das BKA die
Telekommunikationsanbieter in der Zeit zwischen dem 2. März 2010 und
dem 26. April 2011 um Auskünfte über 5082 Anschlüsse, erhielt aber
nur in 4292 Fällen eine positive Antwort. Das entspricht rund 84
Prozent. Dabei ging es in rund 90 Prozent der Fälle um
Internetverbindungen. Wörtlich heißt es in dem Bericht weiter: „Nach
der annähernd 13-monatigen Erhebung im BKA fallen von den bisher 4256
erfassten Negativ-Fällen im Bereich der Strafverfolgung nunmehr rund
45 Prozent in den Deliktsbereich des Computer-Betrugs. Darüber hinaus
fallen rund 39 Prozent in den Deliktsbereich der Verbreitung, des
Erwerbs oder Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften
oder der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Darüber
hinaus belegen die Angaben zur idealen Speicherdauer bezogen auf die
zugrundeliegenden Sachverhalte die polizeifachliche Erforderlichkeit
der Verkehrsdatenspeicherung für 6 Monate.“ Das Problem liege
jedenfalls nicht beim BKA. Das habe die Auskünfte in der Regel
maximal 7 Tage nach Bekanntwerden einer Straftat erbeten. Dies
bedeute „im Umkehrschluss, dass nicht die polizeiliche Reaktionszeit,
sondern das ,Alter– der Verkehrsdaten den erforderlichen
Speicherzeitraum bestimmt“. Das Gutachten steht in krassem
Widerspruch zu einem vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen
Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und
internationales Strafrecht, wonach die Vorratsdatenspeicherung zur
Kriminalitätsbekämpfung eigentlich nicht benötigt wird. Dieses
Gutachten war vor zehn Tagen publik geworden. Der Vorsitzende des
Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der
„Mitteldeutschen Zeitung“ dazu: „Ich bin bass erstaunt über die große
Diskrepanz zwischen dem Gutachten des Max-Planck-Instituts und des
Bundeskriminalamtes. Denn das BKA-Gutachten zeigt: Manche Verbrechen
sind ohne die Vorratsdatenspeicherung gar nicht mehr aufzuklären.“
BKA-Präsident Jörg Ziercke wird heute in den
Bundestags-Innenausschuss kommen und dort eventuell auch über das
Gutachten berichten.
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