Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht,
Hans-Joachim Jentsch, hat Bundestag und Bundesrat politische
Versäumnisse im Vorfeld eines neuen NPD-Verbotsverfahrens
vorgeworfen. „Man hätte das Bundesverfassungsgerichtsgesetz ändern
können, bevor man jetzt möglicherweise wieder in die Schlacht zieht“,
sagte er der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“
(Donnerstag-Ausgabe). Das Gesetz sehe nämlich vor, dass eine
Zwei-Drittel-Mehrheit – also sechs von acht Richtern des zuständigen
Senats – für das Verbot stimmen und dass diese sechs Richter dem
Senat während der gesamten Dauer des Verfahrens angehören müssten.
Jentsch betonte: „Eine einfache Mehrheit reicht. Ich würde das Quorum
ändern.“ Wenn man das Gesetz aber jetzt unmittelbar vor Beginn eines
womöglich neuen Verbotsverfahrens ändern würde, „dann hätte das ein
Geschmäckle“. Im Grunde sei es dafür schon zu spät. Das hätte der
Gesetzgeber bereits leisten müssen. Für eine Änderung des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes wäre eine einfache Mehrheit in
Bundestag und Bundesrat erforderlich. Jentsch war an dem 2003
gescheiterten NPD-Verfahren beteiligt, lehnte dessen Einstellung
allerdings ab. Die von ihm geforderte Korrektur des Gesetzes hatte
2006 bereits der damalige Vorsitzende des
Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), angeregt –
jedoch ohne positive Resonanz. Aus dem zuständigen Senat scheidet bis
zum März 2014 eine Richterin definitiv aus. Der Ex-Richter erklärte
angesichts der aktuellen Nachrichten über Rechtsterrorismus und
etwaige Verbindungen zur NPD überdies: „Es sieht so aus, als wäre das
ganz erheblich, was man gegen die NPD ins Feld führen kann.
Allerdings muss eindeutig sein, dass daran nicht V-Leute mitgewirkt
haben. Die Vorwürfe dürfen nicht kontaminiert sein. Davon muss man
das Gericht schon überzeugen. Außerdem dürfen zumindest im
Bundesvorstand der NPD während des Verfahrens keine V-Leute sitzen.“
Das Risiko eines Scheiterns sei jedenfalls „beachtlich“.
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