Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission
Organtransplantation der Deutschen Ärztekammer, stellt sich nicht
hinter die Forderungen nach einer Widerspruchslösung bei der
Organspende. „Meiner Meinung nach ist es zweitrangig, ob wir eine
Entscheidungs-, Zustimmungs- oder eine Widerspruchslösung haben“,
sagte er der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung
(Mittwoch-Ausgabe) . „Was nützt eine Widerspruchslösung, wenn auf den
Intensivstationen der Gedanke der Organspende gar nicht entwickelt
werden kann, wenn einfach die Zeit fehlt“, fügte er hinzu. Zwar sei
es richtig, dass in Ländern, in denen die Widerspruchslösung gelte,
die Zahl der Spender höher sei als in Deutschland. Das sei aber
nicht allein entscheidend. „Denn in diesen Ländern ist traditionell
die Aufmerksamkeit für die Organspende höher. Dort wird diesem Thema
im Klinikalltag mehr Zeit eingeräumt. Und auch die Strukturen sind
darauf ausgerichtet.“ Außerdem, bei genauerer Betrachtung
praktizierten diese Länder eigentlich die Zustimmungslösung. Denn es
ist ja praktisch unvorstellbar, dass ein Arzt den Angehörigen nach
einem womöglich schockierenden Todesfall sagt: Jetzt gehen wir in den
OP und entnehmen ihrem Verstorbenen die Organe, weil kein Widerspruch
vorliegt.“ Er werde auch bei einer Widerspruchslösung nicht gegen
ihren Willen handeln. „Insofern ist es nicht entscheidend, ob wir
eine Widerspruchs- oder Zustimmungslösung praktizieren. Entscheidend
sind meines Erachtens ausreichend Zeit für das Engagement der Ärzte
und Pflegenden auf den Intensivstationen und die notwendigen
strukturellen Anpassungen.“ Im vergangenen Jahr hatte die
deutschlandweite Zahl der Organspender mit 797 den tiefsten Stand
seit 20 Jahren erreicht. Seitdem wird von Ärzten und Politikern der
Ruf nach einer Widerspruchslösung lauter. Dabei kommt als
Organspender in Frage, wer zu Lebzeiten einer Organentnahme nicht
ausdrücklich widersprochen hat. In Deutschland gilt die
Entscheidungslösung, nach der die Organentnahme nur zulässig ist,
wenn eine Zustimmung vorliegt.
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