Im Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh, der vor 13
Jahren in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen ist, gibt es
eine spektakuläre Wende. Das berichtet die in Halle erscheinende
Mitteldeutsche Zeitung (Donnerstag-Ausgabe). So hat der Leitende
Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann in einem Vermerk vom 4.
April 2017 nicht nur die Unfall-These verworfen, nach der sich Jalloh
im Alkoholrausch selbst verbrannt hat. Er entwirft in dem Vermerk
auch ein Mordszenario, wonach Beamte den Häftling angezündet haben
könnten, um seine Verletzungen zu vertuschen und Ermittlungen zu zwei
früheren Todesfällen im Umfeld der Dessauer Polizei zu verhindern.
Der Leitende Oberstaatsanwalt stützt sich dabei auf mehrere Gutachter
und einen 2016 unternommenen Brandversuch. Der gefesselte und nahezu
handlungsunfähige Mann soll in seinen letzten Atemzügen mit einer
kleinen Menge Brandbeschleuniger übergossen und angezündet worden
sein.
Plausibel sei ein Zusammenhang mit zwei früheren Todesfällen um
die Polizeistation Dessau, heißt es in dem Vermerk. 1997 war ein Mann
nach einem Polizeigewahrsam an schweren inneren Verletzungen
gestorben. 2002 kam in der selben Zelle wie später Jalloh ein
Obdachloser ums Leben. In beiden Fällen hatte es auch Ermittlungen
gegen Polizeibeamte gegeben. Bittmanns Vermutung: Jalloh, der im
Gesicht verletzt war und nicht ordnungsgemäß ärztlich versorgt wurde,
sei bei einer Zellenkontrolle ohnmächtig aufgefunden worden. Den
Beamten sei klargeworden, „dass schwere Verletzungen oder gar das
Versterben eines weiteren Häftlings neuerliche Untersuchungen
auslösen würden“. Diese Sorge „mag zu dem Entschluss geführt haben,
mit der Brandlegung alle Spuren zu verwischen“.
Zu praktischen Ermittlungsschritten gegen Polizeibeamte kam es
nicht, weil die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Verfahren im Mai
durch Entscheidung von Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad nach Halle
abgeben musste. Dort wurde es eingestellt – die dortige
Staatsanwaltschaft sah keinen hinreichenden Tatverdacht.
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