Mogelpackung Vorkasse: Warnung vor Kostenfalle für gesetzlich Krankenversicherte

Ein tiefer Griff in die Tasche der Versicherten
sind die Pläne der Bundesregierung zur Ausweitung der
Kostenerstattung im Gesundheitswesen. Das kritisieren der
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Sozialverband VdK
Deutschland (VdK) und der Vorstand des AOK-Bundesverbandes. Die
Organisationen fordern die Bundesregierung auf, die geplante
Gesetzesänderung aufzugeben und den Verbraucher vor dieser
Kostenfalle zu schützen. Um die Transparenz im Gesundheitswesen zu
erhöhen, sprechen sich die drei Verbände dafür aus, das Instrument
der Patientenquittung fortzuentwickeln. Die Patientenquittung gibt es
seit 2004 auf freiwilliger Basis. Sie weist Leistung und Kosten einer
Behandlung aus.

Die Pläne der Bundesregierung zur Kostenerstattung bedeuten, dass
mehr gesetzlich versicherte Patienten ihre Arztbesuche und
Krankenhausaufenthalte zunächst selbst bezahlen und sich danach den
Rechnungsbetrag von ihrer Krankenkasse erstatten lassen sollen. Was
sich auf den ersten Blick so harmlos anhört, ist bei näherem Hinsehen
für Verbraucher höchst folgenreich:

Wenn der Verbraucher sich für die Kostenerstattung entscheidet,
rechnet der Arzt jede einzelne erbrachte Leistung nach der
privatärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) mit 2,3-fachem Satz ab. Das
bedeutet, der Arzt bekommt mehr als das Doppelte der bisherigen
Einnahmen. Die Kasse darf dem Patienten bei Anwendung der
Kostenerstattung aber nur den gesetzlich festgelegten Betrag
erstatten. So entstehen hohe Differenzbeträge von mehr als 50
Prozent, auf denen der Verbraucher letztlich sitzen bleibt.

Im Vergleich zur GKV laufen den Privaten Krankenkassen die Kosten
auf dramatische Weise davon, sie müssen ihren Versicherten von Jahr
zu Jahr immer höhere Prämien in Rechnung stellen. Ein Grund: Ärzte
behandeln Privatpatienten nicht nur unter gesundheitlichen, sondern
auch unter Ertragsgesichtspunkten, zulasten der Versicherten. Diese
Entwicklung droht mit der Kostenerstattung auch den gesetzlich
Versicherten.

Welche gravierenden finanziellen Folgen auf die Versicherten
zukommen würden, zeigt ein Beispiel:

Eine 68-jährige Frau geht mit Sehstörungen zum Augenarzt. Dort
wird ein Glaukom (Grüner Star) diagnostiziert. Da sie sich für
Kostenerstattung entschieden hat, erhält sie eine Honorarrechung.
Diese beträgt 409 Euro, denn der Arzt hat nach GOÄ (2,3-fachem Satz)
abgerechnet. Ihre Krankenkasse übernimmt davon 72 Euro, so dass sie
für den Differenzbetrag von 337 Euro selbst aufkommen muss.

Die Bundesregierung plant, die Bindungsfrist für Kostenerstattung
von einem Jahr auf drei Monate zu verkürzen. Ärzte haben ein
ökonomisches Interesse, dass sich Patienten für das Vorkasse-Modell
entscheiden. Es droht ein massives Drängen der Patienten in die
Kostenerstattung für zunächst ein Quartal, um bei der Terminvergabe
in der Arztpraxis bevorzugt zu werden. Wer sich gegen dieses
Abrechnungsverfahren entscheidet, hat dann das Nachsehen und muss
sich bei manchen Ärzten auf längere Wartezeiten einstellen. Von der
von Bundesgesundheitsminister Rösler ins Feld geführten
Freiwilligkeit kann da kaum die Rede sein. Vorkasse beim Arzt
bedeutet dann Vorfahrt für den vollen Geldbeutel.

Befragungen haben gezeigt, dass Privatversicherte im Gegensatz zu
gesetzlich Krankenversicherten deutlich häufiger den Eindruck haben,
dass bei ihnen nicht notwendige Untersuchungen und Behandlungen
durchgeführt werden. Dieses Risiko wird für Verbraucher, die für die
Vergütung der ärztlichen Leistung Kostenerstattung wählen, stark
ansteigen.

Zitate:

AOK-Bundesverband

Jürgen Graalmann, stellvertretender Vorsitzender:
„Kostenerstattung löst kein einziges Problem im Gesundheitswesen. Sie
bedeutet schlicht und einfach eins – die Patienten müssen löhnen, die
Ärzte kassieren.“

Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Gerd Billen, Vorstand:
„Patienten und Ärzte sollten wissen, was eine Behandlung kostet. Das
geeignete Instrument dafür ist die Patientenquittung, nicht die
Kostenerstattung. Denn das geltende Sachleistungsprinzip sorgt nicht
zuletzt für Qualität und Effizienz im Gesundheitssystem.“

Sozialverband VdK Deutschland

Ulrike Mascher, Präsidentin: „Die Kostenerstattung kann für
Versicherte zu bösen Überraschungen führen, wenn sie nach der
Behandlung auf einem Großteil der Kosten sitzen bleiben. Deshalb
müssen Versicherte auch davor gewarnt werden, sich von Ärzten zur
Behandlung auf Rechnung drängen zu lassen. Der Sozialverband VdK rät
Versicherten grundsätzlich davon ab, auf die Kostenerstattung
umzuschwenken.“

Pressekontakt:
Ihr Ansprechpartner in der Pressestelle
des AOK-Bundesverbandes:
Udo Barske
Pressesprecher
Tel.: 030 34646-2309
E-Mail: udo.barske@bv.aok.de

Ihr Ansprechpartner in der Pressestelle des vzbv:
Steffen Küßner
Pressereferent
Tel.: 030 25800-524
E-Mail: kuessner@vzbv.de

Ihr Ansprechpartner in der Pressestelle des VdK:
Michael Pausder
Pressesprecher
Tel.: 089 2117-217
E-Mail: pausder@vdk.de