Neue OZ: Kommentar zu Afghanistan / Wahlen

Ein Ergebnis der Angst

Hamid Karsai scheint mehr zu wissen als westliche Politiker und
Diplomaten. Die Hoffnungen auf Frieden in Afghanistan seien
gestiegen, sagt der Präsident. In diese Lesart der Lage am Hindukusch
will das vorläufige Endergebnis der Parlamentswahl so gar nicht
passen: Fast ein Viertel der Stimmen wurde von der Wahlkommission für
ungültig erklärt. Von Stabilität – eine Vorbedingung für Frieden -,
geschweige denn Demokratisierung, ist Afghanistan sehr weit entfernt.

Die Taliban haben die leidgeprüfte Bevölkerung vor und während der
Wahl derartig eingeschüchtert, dass sich die Hälfte der
Wahlberechtigten gar nicht erst an die Urne gewagt hat und sich
andere vor der Wahlkabine manipulieren ließen. Tausende Proteste und
Hunderte verdächtige Politiker müssen noch geprüft werden. Wie schon
bei der Präsidentschaftswahl 2009 töteten und verletzten
radikal-islamische Kräfte am Wahltag Afghanen.

Karsai sucht sein Heil in Verhandlungen mit den Taliban. Dies hat
eher den Charakter einer Verzweiflungstat denn eines Ansatzes zur
Beruhigung. Im nächsten Jahr sollen die ersten NATO-Soldaten den
Abzug antreten. Das dürfte nur die Terroristen im Land erfreuen; was
die Mission in Afghanistan mehr denn je braucht, sind Truppenpräsenz,
Polizeiausbilder und Aufbauhelfer. Ein Rückzug wäre im Moment
sicherheitspolitischer Wahnsinn.

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