Neue OZ: Kommentar zu Arbeit / Bundesgericht / Zeitarbeit

Jubelnd in die Pleite

Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts geht ein Jubelschrei
durch die Gewerkschaften. Die IG Metall erwartet sogar, dass
Leiharbeiter nachträglich Lohn einklagen können. Die
höchstrichterliche Entscheidung macht in der Tat die Tarifverträge
von Hunderttausenden Zeitarbeitern nichtig. Doch der Jubel und die
Forderungen der Gewerkschaften kommen zu früh. Denn das Urteil aus
Erfurt stärkt zwar die Position von Zeitarbeitern, hilft ihnen im
Arbeitsalltag allerdings kaum. Wer als Leiharbeiter mehr Geld oder
bessere Arbeitsbedingungen einklagen will, muss auch künftig mit
Entlassung rechnen. Schließlich verfügen sie über einen ausgesprochen
schwachen Kündigungsschutz.

Das Urteil könnte sich aber trotzdem zu einem Erdbeben entwickeln,
das Potenzial hat, die deutsche Wirtschaft zu erschüttern. Denn für
Hunderte zumeist kleine Zeitarbeitsfirmen droht mit dem Richterspruch
die Pleite. Sollte nur ein Teil ihrer Leiharbeiter für Jahre
rückwirkend Lohn sowie Sozialbeiträge für Renten-, Kranken- und
Arbeitslosenversicherung einklagen, stünden die oft finanzschwachen
Zeitarbeitsfirmen vor dem finanziellen Aus. Und das nur wenige
Monate, nachdem das Zeitarbeitsmodell durch den flexiblen Einsatz von
Mitarbeitern deutschen Firmen maßgeblich geholfen hat, die
Wirtschaftskrise zu überstehen. Das Urteil, das die Situation der
Zeitarbeiter eigentlich verbessern soll, könnte jetzt dazu führen,
dass Tausende Leiharbeiter ihren Job verlieren.

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