Neue OZ: Kommentar zu Bundespräsident

Neuer Menschenfischer?

So schnell dreht sich der Wind: Gestern noch war er der
langweilige Schwiegermutterliebling und aalglatte Politprofi, heute
ist er Hoffnungsträger. Bundespräsident Christian Wulff startet ins
Amt mit guten Umfragewerten und einem großen Vorschuss an Vertrauen.
Die Menschen wollen bei den Siegern sein. Und sie wollen nach Wochen
verstörender Unruhe endlich Stabilität. Diesem Grundbedürfnis kommt
Wulff mit einer Antrittsrede entgegen, die auf Versöhnung zielt und
zugleich scheinbar Gegensätzliches verbindet: Weltoffenheit und
Bodenständigkeit. Mit seinem Bekenntnis zur bunten Republik fordert
er die Menschen zu Neugier auf und zu Anstrengungen. Eine Art
„Ruck-Rede“, aber in moderatem Ton.

So schnell kann ein Rollenwechsel gehen: Wulff erklärt sich zum
Staatsoberhaupt aller in Deutschland lebenden Menschen und damit auch
der Zuwanderer. Als Präsident der Versöhnung will er Miteinander
statt Parallelgesellschaften. Mit der Berufung einer
türkischstämmigen Ministerin in Niedersachsen hat er gezeigt, wie er
sich Migrantenkarrieren vorstellt. Ob alle seine alten Freunde in der
Union dem Ruck folgen, steht dahin. So schnell können Sympathien
wachsen: Im Bundestag gibt es Beifall für die erste Rede des
Präsidenten auch aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken. Das
bisher jüngste Staatsoberhaupt hat gleich nach seiner Wahl allen die
Hand zur Kooperation gereicht. Wulff, der neue Menschenfischer?

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