Neue OZ: Kommentar zu Bundespräsident / Gauck

Wahlkampf im Netz

Das hat schon irreale Züge. Gewählt wird Deutschlands
Bundespräsident am 30. Juni von der Bundesversammlung. Aber im
Internet wird derart massiv Wahlkampf gemacht, als könnte die
Netzgemeinde über das Staatsoberhaupt abstimmen. Werbung mit
T-Shirts, Fahnen, Teddybären – ausgerechnet der Kandidat von
Rot-Grün, Joachim Gauck, der das Online-Netzwerk Facebook nach
eigenem Bekunden noch nie geöffnet hat, schwimmt auf einer Welle der
Sympathie.

Konkrete Folgen hat es nicht, wie auch die kluge
Internet-Community weiß. Vorerst nicht. Hier passiert etwas, was
langfristig gute Wirkung zeigen könnte. Das Netz-Duell der Kandidaten
Christian Wulff und Joachim Gauck ist ein Akt des politischen
Protestes, weil sich die Parteien den Staat mehr und mehr zur Beute
machen. Gauck steht bei den Surfern für Überparteilichkeit. Vor
Übertreibung sei jedoch gewarnt: Eine digitale Massenbewegung à la
US-Präsident Obama hat er nicht ausgelöst – aber hoffentlich doch
Nachdenklichkeit bei den Parteien, ihren Machthunger zu zähmen.

SPD und Grüne sehen sich nicht am Pranger – sie haben dieses Mal
einen Parteilosen auf den Schild gehoben. Das war klug. Nicht klug,
ja schmählich ist es, den CDU-Kandidaten Wulff wegen seines
jahrzehntelangen politischen Einsatzes herabzuwürdigen. Das ist eine
Ohrfeige für alle, die dem Gemeinwohl dienen.

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