Neue OZ: Kommentar zu Bundesregierung / Medien

Merkels Mainzelmann

Seit der holprigen Wahl des Bundespräsidenten sind Angela Merkel
und ihre Berater auf der Suche nach verloren gegangener Popularität.
Dabei legen sie unübersehbares Geschick an den Tag. Der Jubel der
Kanzlerin über den deutschen WM-Sieg gegen Argentinien flimmerte über
zig Millionen Bildschirme in der Heimat, wenig später zaubert sie nun
mit Steffen Seibert einen beliebten ZDF-Nachrichtenmann als ihren
neuen Sprecher aus dem Hut.

Merkels Mainzelmann – ein gelungener Überraschungscoup, wie es
scheint. Doch der zweite Blick erzeugt mehr als Unbehagen. Der fatale
Eindruck: Schon zum zweiten Mal innerhalb ganz kurzer Zeit wird die
Personalpolitik von CDU und ZDF aufs Engste miteinander verknüpft.
Zunächst musste Chefredakteur Brender auf Betreiben von
Unions-Granden wie Roland Koch seinen Posten räumen. Nun macht die
CDU-Kanzlerin einen ZDF-Journalisten zu ihrem Kommunikationschef.

Gerade noch erklärte der scheinbar überparteiliche Seibert seinen
Zuschauern die Welt, schon nächsten Monat präsentiert er uns die
Regierungspolitik. Mit der häufig beschworenen Staatsferne hat das
nicht viel zu tun. Und dass Seiberts Vorgänger Ulrich Wilhelm künftig
Intendant des Bayerischen Rundfunks sein wird, stärkt bei aller
persönlichen Reputation auch nicht unbedingt den längst erschütterten
Glauben der Gebührenzahler in die Unabhängigkeit
öffentlich-rechtlicher Sender.

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