Neue OZ: Kommentar zu Emanzipation

Aufschauen war gestern

Wahlrecht, Empfängnisverhütung, Einbruch in Männerberufe: Die
vergangenen hundert Jahre haben die Emanzipation in Deutschland große
Schritte nach vorne gebracht. Aber eines ist seit der Steinzeit
unverändert: Viele Frauen wollen zu ihren Partnern aufschauen können.
Weniger als zehn Prozent haben einen höheren Bildungsabschluss als
ihr Mann. Glaubt man den Statistikern, ist in dieser Gruppe die
Scheidungsrate auch noch besonders hoch.

Trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen und Möglichkeiten
scheint es immer noch die absolute Ausnahme, dass sich eine Ärztin
einen Krankenpfleger zum Gatten nimmt. Dass die Zahl der Paare mit
einem gebildeteren weiblichen Part steigt, dürfte nach Tausenden
Jahren der puren Not geschuldet sein. Der ständig wachsenden Zahl gut
ausgebildeter Frauen fehlt einfach das Angebot gleichwertiger
Partner. Viele Akademikerinnen müssen sich deshalb mit weniger
qualifizierten Männern begnügen – oder allein bleiben. Diese
Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen: In
den Hörsälen sitzen seit Kurzem mehr Frauen als Männer. Wenn es nicht
zum Normalfall werden soll, dass Ärztinnen, Anwältinnen und Co. oft
allein durchs Leben gehen, müssen sie die Kriterien ihrer Partnerwahl
ändern – Aufschauen war gestern.

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