Neue OZ: Kommentar zu Gesellschaft / Integration / Schulen

Schmerzhafte Überdehnung

Auf dem Pausenhof einer Berliner Realschule gab es immer wieder
Zoff, weil die einzelnen Schülergrüppchen, die sich in verschiedenen
Sprachen unterhielten, einander keinen Meter über den Weg trauten.
Sie verstanden sich im wahrsten Sinn einfach nicht. Also sann der
Schulleiter auf Abhilfe. Er erlaubte fortan nur noch Deutsch als
Sprache auf dem Pausenhof. Und siehe da: Die Zoff-Frequenz sank
deutlich, die Noten wurden besser, mehr Zehntklässler schafften den
Abschluss oder sogar den Wechsel zum Gymnasium. Warum also wollen die
Migrantenverbände eine solche Deutschpflicht nicht? Sie hätte – folgt
man dem Berliner Beispiel – doch nur Vorteile. Oder?

Gut Deutsch zu sprechen ist für eine gelungene Integration
unabdingbar. Ohne diese Fähigkeit gibt es für Zuwanderer keine
Chancen, sich wertschöpfend in die Gesellschaft einzugliedern. Das
erkennen die Migrantenverbände an. Sie beharren aber zu Recht darauf,
die verschiedenen Muttersprachen nicht zugunsten des Deutschen total
aufzugeben. Sprache als Kulturgut bestimmt die Identität von Menschen
ganz erheblich. Es würde den Spagat zwischen Anpassung und
Assimilation schmerzhaft überdehnen, wenn die Muttersprache in einem
neuen Land keinen Platz mehr finden dürfte. Deutsch zu können muss
hierzulande eine Selbstverständlichkeit sein. Mit Verboten lässt sich
das aber nicht durchsetzen. Sondern mit früher Förderung.

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