Neue OZ: Kommentar zu Irland / Wirtschaft

Ohne zu täuschen

Eine Staatsverschuldung, die fast bei 100 Prozent der jährlichen
Wirtschaftsleistung liegt, und ein Rekord-Haushaltsdefizit von 32
Prozent – die Iren hätten allen Grund, ihren Kummer mit einem frisch
gezapften Guinness wegzuspülen. Doch den Menschen auf der Grünen
Insel ist wegen der lang anhaltenden Rezession der Durst vergangen.
Zumindest öffentlich. Während die Umsätze in den Kneipen sinken, sind
im vergangenen Jahr die Umsätze mit Alkohol außerhalb der Gaststätten
um mehr als sechs Prozent gestiegen. Das ist nur ein Beispiel, dass
aus dem „Keltischen Tiger“ mit hohen Wachstumsraten ein träger
Stubenkater geworden ist.

Kein Wunder, schließlich war Irlands Aufschwung dank geringer
Unternehmenssteuern und einer wenig regulierten Bankenwelt teils
Maskerade. Gewinne blieben nicht im Land, sondern flossen in andere
Staaten ab. Für das Finanzdesaster jetzt allein Ministerpräsident
Brian Cowen verantwortlich zu machen ist nicht fair, aber populär: In
einer Umfrage forderten 61 Prozent der Teilnehmer seinen Rücktritt.
Dabei ist Irland schon vor Cowens Antritt im Mai 2008 in den
Abschwung geraten. Und dann kam noch die weltweite Krise hinzu. Cowen
konnte nur reagieren. Das hat er getan, ohne die EU-Partner zu
täuschen und Hilfen zu erschleichen – im Gegensatz zu Griechenland.

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