Die alten Reflexe
Die hysterische Debatte um die Islam-Aussage von Bundespräsident
Christian Wulff sagt viel darüber aus, wie weit Deutschland noch von
einem modernen Einwanderungsland entfernt ist. Wulffs schlichter
Satz– der Islam gehöre zu Deutschland, hat ausgereicht, um heftige
Proteste auszulösen. Besonders CDU und CSU verfallen in die alten
Reflexe. Dabei ist der Befund Wulffs in Anbetracht von vier Millionen
Muslimen und mehr als 2500 Moscheevereinen in Deutschland weder
falsch noch interpretationsbedürftig, wie seine Kritiker finden.
Natürlich will der Bundespräsident mit seiner Aussage nicht das
islamische Recht der Scharia, Ehrenmorde, Zwangsheirat oder
religiösen Fundamentalismus in Deutschland willkommen heißen. Wer
hier eine Zweideutigkeit sieht, offenbart nur seine eigenen
Vorurteile: Er nimmt eine große Mehrheit der Muslime für die
Schandtaten einiger Fanatiker in Haft. Ein offener, fairer Dialog
sieht anders aus.
Auf einem Nebenschauplatz kämpft freilich auch die Opposition, die
islamischen Religionsgemeinschaften den öffentlich-rechtlichen
Sonderstatus der christlichen Kirchen zubilligen will. Denn die
drängenden praktischen Probleme bei der Integration wären mit
steuerlichen Privilegien und anderen Vorrechten für muslimische
Verbände nicht gelöst. Religionsunterricht und Imamausbildung,
Sprachmängel und Bildungsdefizite – hier gilt es zu handeln. Die
Frage des Rechtsstatus ist zweitrangig.
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