Neue OZ: Kommentar zu Landtag / McAllister

Unterste Schublade

Den Besuchern auf der Tribüne des Landtages bot sich ein garstiges
Bild: Polemisch droschen die Abgeordneten aufeinander ein; immer
wieder musste Parlamentspräsident Dinkla die Sitzung unterbrechen, um
keifende Politiker zur Räson zu bringen. Kurzum: Die Debatte über die
100-Tage-Bilanz von Ministerpräsident McAllister war eine Zumutung,
eine Werbung für Politikverdrossenheit.

Natürlich gehört lebhafter Meinungsstreit zum Parlament wie das
Salz zur Suppe. Aber das Niveau, auf dem die Auseinandersetzung
gestern erfolgte, war über weite Strecken unterste Schublade. Und das
gilt für beide Seiten! Einem Ministerpräsidenten, der bescheiden
nicht auf „dicke Hose“ machen will, „volle Hose“ zu attestieren –
peinlich. Von 100 verlorenen Tagen für das Land zu sprechen – maßlos.
Umgekehrt: Oppositionelle als Dreckschleuderer oder Neo-Spießer zu
verunglimpfen – primitiv.

Vielleicht ließe sich die Gefahr solcher Entgleisungen mildern,
wenn der Landtag das völlig ausgeartete Instrument der „Aktuellen
Stunde“ überdenkt. Einstmals war es dafür gedacht, ein gerade akut
gewordenes Thema noch auf die bereits festgelegte Tagesordnung zu
bringen. Heute darf jede der fünf Fraktionen Tage vorher nach eigenem
Gutdünken ein Thema benennen – oft weniger nach Aktualität ausgesucht
als nach der Eignung zu Attacken auf den jeweiligen Gegner, und zwar
zu mediengerechter Zeit. Da ist Polemik programmiert.

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