Rechtes Potenzial
Die Debatte um Thilo Sarrazin zeigt, wie schmal die Basis ist, auf
der sich in der Parteienlandschaft die Stimmen verteilen. Amtsträger
jeder Couleur verurteilen die Überfremdungsrhetorik des Polemikers.
Aber in weiten Kreisen der Bevölkerung weckt er eine geradezu
messianische Bewunderung, die bis weit ins SPD-Milieu hineinreicht.
Sicherlich ist es auch Sarrazins Parteibuch, das viele ermuntert,
sich vorzuwagen – erscheint es ihnen doch regelrecht befreiend,
keinen übermäßigen Nazi-Verdacht befürchten zu müssen.
Diese Lage führt geradewegs zu der Frage, ob eine
rechtspopulistische Partei Chancen in Deutschland hätte, die neben
Protestwählern eine Art neue Rechte hinter sich sammelt. Analog zur
SPD mit der Linkspartei erhielte die CDU ein Stiefkind, das das
Nationale betont, ohne Faschismusfantasien zu frönen. Solche Parteien
gibt es in halb Europa. Es wäre naiv, einer bürgerlichen Rechten bei
uns keine Chancen einzuräumen. Das Wählerpotenzial hat sie, das ist
die große Sorge der Union. Historische Vorbilder gibt es ebenfalls.
Die seit 2001 geschürte Islam-Angst bereitet darüber hinaus den
Boden. Was fehlt, ist der charismatische Kopf. Früher oder später
wird es einen geben. Dass eine solche Partei dann wie DVU,
Republikaner und NPD in der Bedeutungslosigkeit versinkt, sobald die
heiße Luft entwichen ist, versteht sich angesichts heute salonfähiger
Thesen nicht mehr von selbst. Auch die Integration, um die es
vorgeblich geht, würde eine rechte Hetzpartei wohl kaum vereinfachen.
Nötig ist also weiter nicht nur eine Debatte über Migration – sondern
auch der Kampf um eine Politik, die für Rassismus keinen Platz lässt.
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