Neue OZ: Kommentar zu Türkei / Wulff

Streit um Stoff

Der Kopftuch-Streit ist in der Türkei wieder aufgeflammt.
Präsidentengattin Gül hat die Gunst des Besuches von Bundespräsident
Wulff genutzt, um ein revolutionäres Zeichen zu setzen: Erstmals ging
sie bei der Empfangszeremonie mit Kopftuch über den roten Teppich –
und das Militär, das sich seit Atatürk als Hüter des säkularen
Staates versteht, salutierte!

Die Symbolik ist enorm. Schließlich ist das Tragen dieser
Kopfbedeckung an Schulen, Universitäten und im öffentlichen Dienst
verboten. Noch. Denn wenn die erste Frau im Land das Kopftuch beim
Staatsempfang trägt, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis
das Verbot fällt. Darauf drängt seit Jahren die
islamisch-konservative Regierungspartei AKP – gegen erbitterten
Widerstand der alten Eliten aus Justiz, Wirtschaft und Militär. An
diesem Stück Stoff hat sich ein Richtungsstreit entzündet, welche
Rolle der Islam künftig spielen soll. Bleibt die Trennung von Staat
und Religion, oder droht ein „Gottesstaat light“? Das Kopftuch muss
kein Zeichen von Unterdrückung sein. Nicht wenige Frauen, auch
emanzipierte und gebildete, tragen es freiwillig als Ausdruck ihres
Glaubens. Für viele Verfechter des politischen Islamismus ist das
Kopftuch aber weit mehr als das. Diese haben mit Demokratie, Freiheit
und Gleichheit nichts gemein.

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