Neue OZ: Kommentar zu USA / Klage / Ratingagentur

Verlogene Zockerei

Manche Europäer geißeln die USA gerne als Hort des
Raubtierkapitalismus. Aber auch diese Kritiker müssen eingestehen,
dass die US-Regierung die Auswüchse auf den Finanzmärkten härter
bekämpft, als dies etwa in Deutschland geschieht.

Nach dem knallharten Vorgehen gegen Schweizer Banken nimmt die
US-Regierung nun die Ratingagenturen ins Visier. Präsident Barack
Obama lässt Standard & Poor–s auf Milliarden-Schadenersatz verklagen.
Es wird spannend, ob auch andere Ratingagenturen vor Gericht gezogen
werden. Denn alle haben die faulen US-Hypothekenpapiere viel zu lange
mit Bestnoten bewertet.

Auch deutsche Banken fielen auf die vermeintlich sicheren
Schrottpapiere herein. Teils aus Größenwahn, teils aus Inkompetenz,
oft aus Gier. Durch diese verlogene Zockerei kam es fast zur
Kernschmelze des internationalen Finanzwesens. Der Kollaps wurde nur
durch staatliche Eingriffe historischen Ausmaßes verhindert, für die
auch der deutsche Steuerzahler mit horrenden Beträgen bürgt.

Dass Standard & Poor–s sich nun auf die Meinungsfreiheit beruft,
ist eine intelligente Unverschämtheit. Eine Ratingagentur ist
schließlich keine Versammlung von Wahrsagern in Nadelstreifenanzügen,
die Bestnoten für Staaten und Konzerne nach dem Mondkalender
vergeben. Vielmehr besteht der Verdacht, dass Profitgier zu
kalkulierten Fehlurteilen geführt hat.

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