Neue OZ: Kommentar zu Wahl des Bundespräsidenten

Dem Gewissen verpflichtet

Mittwoch endet nicht nur die präsidentenlose Zeit, die Deutschland
seit dem Abgang von Horst Köhler in Atem gehalten hat. Abgeschlossen
sein wird auch der nie offiziell ausgerufene Wahlkampf um den Posten
des deutschen Staatsoberhaupts, der auch als Vertreterwahlkampf für
die Macht in Berlin gesehen wird.

Die Spanne von vier Wochen bis zur Neuwahl ließ kaum Raum für
Planungen und Strategien. Das hat keine Partei, das hat nur Horst
Köhler zu verantworten. Die laute Begleitmusik in unserer
Mediendemokratie sollte einige Tatsachen nicht überdecken: Im
Gegensatz zu Präsidialdemokratien wie Frankreich oder den USA hat der
oberste Repräsentant in Deutschland wenig Macht, egal wer die
Geschicke auf Schloss Bellevue bestimmt.

Heiß diskutiert wird die Frage, inwieweit die Wahlleute in der
Bundesversammlung frei oder an das Votum der Partei gebunden sein
sollen, die sie ins Rennen schickt. Die Bundesversammlung ist keine
Parteiveranstaltung. Aber die Parteien schicken neben ihren
Abgeordneten keine Persönlichkeiten als Wahlmänner oder -frauen ins
Rennen, die primär die Gegenseite unterstützen. Wer das jetzt
fordert, übersieht die politische Realität.

Die Wahl zum Bundespräsidenten ist geheim. Sanktionen für
Abweichler gibt es nicht. Die Wahlmänner und -frauen sind nur ihrem
Gewissen verpflichtet. Sie tragen aber auch die Verantwortung für die
Folgen ihres Urnengangs.

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