Ifo-Präsident fordert befristeten Euro-Ausstieg
von Griechenland
Hans-Werner Sinn vor Gauck-Besuch: „Gesellschaft droht zu
zerbrechen“
Osnabrück. Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo-Instituts
für Wirtschaftsforschung, hat ungeachtet aktueller Fortschritte in
Griechenland seine Forderung nach einem befristeten Ausstieg
Griechenlands aus dem Euro bekräftigt. In einem Gespräch mit der
„Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch) sagte Sinn anlässlich des
heute beginnenden Griechenland-Besuchs von Bundespräsident Joachim
Gauck: „Griechenland braucht eine Abwertung, um wieder auf den grünen
Zweig zu kommen, aber die ist im Euro kaum möglich.“ Andernfalls,
warnte der Ökonom, drohe die griechische Gesellschaft „an den nötigen
Preis- und Lohnkorrekturen zu zerbrechen“. Diese würden „viele
Haushalte und Firmen in den Konkurs treiben und die Gewerkschaften
radikalisieren“.
Aktuell sei die „Arbeitslosigkeit in Griechenland mehr als doppelt
so hoch wie im Frühjahr 2010″, sagte Sinn, und schon damals habe sich
„die Frage des Austritts Griechenlands aus der Währungsunion“
gestellt. „Mehr als 60 Prozent der jungen Leute, die nicht in der
Schule sind, haben keine Anstellung. Die griechischen Löhne sind mehr
als doppelt so hoch wie die polnischen, und die Güterpreise sind um
die Hälfte höher als in der Türkei“, analysierte Sinn weiter. Seine
Schlussfolgerung: „Wenn die Staatengemeinschaft es ernst meint mit
dem Wohlergehen der griechischen Bevölkerung und nicht nur die
Sicherung von Wertpapierportfolios und Bankbilanzen im Auge hat, dann
muss sie einen Plan zu einem geordneten, temporären Austritt
Griechenlands aus dem Euro-Verbund entwickeln.“ Dieser müsse „auch
einen Schuldenschnitt für den griechischen Staat und seine Banken
sowie Hilfen für den Import sensibler Produkte“ vorsehen, forderte
der ifo-Chef.
Ein zeitlich befristeter Austritt aus dem Euro-Raum würde „den Weg
ebnen für eine Abwertung der Währung und eine rasche
Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit“ Griechenlands, sagte der
Ökonom. Die Konsequenzen daraus seien positiv, erklärte Sinn:
„Griechen würden wieder verstärkt einheimische Agrarprodukte kaufen,
mehr Touristen kämen, und ausländische und griechische Investoren
kehrten zurück. Die jungen Griechen hätten wieder eine Chance.“ Zu
einem späteren Zeitpunkt könnte Griechenland erneut dem Euroverbund
beitreten, „zu einem neuen Wechselkurs“, schloss der ifo-Präsident.
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