Neue Presse Hannover: Kommentar: Wulffs Einstieg

VON CLAUS LINGENAUBER

Für die Bürger ist die Sache bereits klar: 72 Prozent sind
überzeugt, dass Christian Wulff ein guter Präsident wird. Der zuletzt
mächtige Gauck-Schatten hat sich schnell verflüchtigt. Nach all dem
Hickhack im Vorfeld und während der Wahl ein erstaunlicher
Vertrauensvorschuss – und ein Pfund, mit dem der Niedersachse wuchern
kann. Und es sieht ganz so aus, als wolle er den Erwartungen gerecht
und ein Präsident aller hier lebenden Menschen werden. Wulff, der als
erster deutscher Regierungschef eine Muslimin zur Ministerin gemacht
hat, hat Integration zu seinem zentralen Thema erkoren. Es scheint,
als habe er erkannt, dass dieses Land, dessen Bevölkerung immer älter
wird, ohne Zuwanderung keine Zukunft hat. Er fordert Öffnung statt
Ausgrenzung, auch wenn das manchmal anstrengend sein kann. Schaut man
sich aber unsere bunte Nationalmannschaft an, erkennt man, welche
Chancen Deutschland hat, wenn es diese Potenziale ausschöpft. Der
Christdemokrat, der seit seiner Jugend stets Parteipolitiker war,
präsentierte sich in seiner guten Antrittsrede als überparteilicher
Brückenbauer, betonte das Verbindende, forderte, Bildung für jeden
zugänglich zu machen – unabhängig von Herkunft und Wohlstand.
Natürlich fragt man sich, weswegen Wulff diese Überzeugungen nicht
schon als Ministerpräsident stärker eingebracht und umgesetzt hat,
weswegen so oft Kalkül und Verzagtheit spürbar waren. Aber genau das
charakterisiert ja das Amt des Präsidenten – es ist befreit von den
Niederungen der Tagespolitik, von Koalitions- und sonstigen Zwängen.
Der Präsident ist mehr Mahner als Macher, er lebt vom Wort, soll
aufrütteln, Bürger und Politiker zum Nachdenken anregen. Nimmt man
all das zum Maßstab, ist der Einstand gelungen. Jetzt muss Wulff nur
weiter am Ball bleiben.

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