
Redakteur: Herr Kirchhoff, Sie kennen das Urteil vom 3. Juni 2025, in dem das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden hat, dass eine per Videotelefonie aus Deutschland geschlossene Online Ehe nach US Recht in Deutschland unwirksam sei – trotz Anerkennung durch ein EU Land wie Bulgarien (VG Düsseldorf, Az.?27?K?5400/23). Wie bewerten Sie diese Entscheidung?
RA Kirchhoff: Diese Entscheidung ist höchst relevant. Das VG Düsseldorf bestätigt damit die Linie des BGH (Beschluss vom 25. September 2024, Az. XII ZB 244/22): Wenn die Eheschließungserklärungen aus Deutschland per Videocall datiert sind, muss die Eheform deutschen Vorschriften genügen – was bei einer virtuellen Zeremonie per Utah Trauung nicht der Fall ist. Das Urteil zeigt deutlich: Es genügen weder Anerkennung in einem EU Mitgliedstaat noch ein Apostille Zertifikat, wenn die deutsche Form nicht gewahrt ist.
Redakteur: Was sind die Kernprobleme dieser Formverfehlung?
RA Kirchhoff: Der springende Punkt ist der ordre public Grundsatz aus Art.?6 des EGBGB: Ehen müssen in Deutschland persönlich und gleichzeitiger Anwesenheit abgegeben werden. Leben die Ehepartner beide in Deutschland – wie im Fall des VG Düsseldorf – und führen eine Videotrauung durch, gilt das rechtlich als Inlandsverstoß – selbst wenn das Trauungsorgan im Ausland sitzt.
Redakteur: Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich daraus?
RA Kirchhoff: Sie sind weitreichend. In dem Fall wollte ein türkischer Staatsbürger – verheiratet mit einer bulgarischen EU Bürgerin – wegen der Online Ehe eine Aufenthaltskarte beantragen. Die Anerkennung wurde trotz gültiger Ehe in Bulgarien verweigert, und die Abschiebungsandrohung blieb bestehen. Damit waren Erbrecht, Steuerrecht, Sozialversicherung und Aufenthaltsrecht in Deutschland ohne Grundlage – die Ehe wurde faktisch ignoriert.
Redakteur: Gibt es überhaupt Ausnahmen oder Gestaltungsmöglichkeiten?
RA Kirchhoff: Nur, wenn die Trauung tatsächlich im Ausland stattfindet oder beide Partner die Erklärungen dort abgeben. Dann kann das dort geltende Recht gelten und Deutschland kann diese Ehe anerkennen. Aber sobald zumindest ein Partner die Erklärung in Deutschland abgibt – selbst digital –, gelten deutsche Formvorschriften strikt.
Redakteur: Gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern oder Behörden?
RA Kirchhoff: Vereinzelt, ja. Manche Standesämter könnten flexibler agieren – etwa wenn ein EU Staat die Ehe eingetragen hat. Aber das VG Düsseldorf betonte: Selbst dann besteht für deutsche Behörden keine Pflicht zur Anerkennung, wenn die Eheform nicht eingehalten wurde.
Redakteur: Was bedeutet das Urteil langfristig für Rechtsberatung und Gesetzgebung?
RA Kirchhoff: Das Urteil ist ein Signal für dringend notwendige Reformen im Personenstandsrecht. Die Digitalisierung schreitet voran, aber die Rechtslage hinkt hinterher. Es wird diskutiert, ob künftig – etwa ab 2030 – online beglaubigte Trauungen zulässig werden könnten. Doch bis dahin bleibt die Rechtslage klar: Eher vorsichtig vorzugehen, ist ratsam.
Redakteur: Welche Empfehlungen geben Sie als Fazit?
RA Kirchhoff:
1. Vorher juristisch beraten lassen – insbesondere bei internationalen Paaren.
2. Ehe im Ausland nur dann schließen, wenn klare Anerkennung in Deutschland gewährleistet ist.
3. Trauung lieber nach deutschem Recht nachholen, falls sie digital im Ausland stattfand.
4. Antrag auf Nachbeurkundung beim deutschen Standesamt verleiht Rechtssicherheit
Redakteur: Herr Kirchhoff, danke für diese expliziten Hinweise!
RA Kirchhoff: Sehr gern. Gerade bei Online Ehen ist sorgfältige rechtliche Planung zentral – nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus emotionaler Sicherheit.