Im Herbst kommt der Papst und liest ihnen die 
Leviten. In einem voraussichtlich an Eindringlichkeit kaum 
steigerbaren Appell wird Franziskus die Vereinten Nationen in New 
York an ihre Verantwortung für das Ganze erinnern. Die Strafpredigt 
ist bitter nötig. 70 Jahre nach der Gründung zerfasert die auf den 
Ruinen des Zweiten Weltkriegs erbaute Weltgemeinschaft in einen 
Verein der Einzelkämpfer, in dem sich die größten Egoisten 
fortgesetzt am Gründungszweck versündigen: Kriege verhindern, Frieden
schaffen, Sicherheit, Wohlstand und Entwicklung gewährleisten. 60 
Millionen Flüchtlinge, die zurzeit auf der Suche nach Zuflucht und 
Schutz sind, weil in ihren Heimatländern Chaos herrscht, weit mehr 
als nach dem Fall von Hitler-Deutschland, sind der Beweis dafür, dass
die Vereinten Nationen sich immer weiter von ihrem zentralen 
Versprechen entfernen. Alle nicht gering zu schätzenden Bemühungen 
der UN, dem globalen Flüchtlingselend mit den segensreichen 
Unterabteilungen ihres „Weltsozialamtes“ (von UNICEF bis WHO) 
beizukommen, sind am Ende nur Pflaster auf eine immer größer werdende
Wunde, die nicht zu bluten aufhört.  Das Zynische an diesem Befund 
ist: Alle Beteiligten kennen ihn. Und alle wissen den Grund. Solange 
in der Schaltzentrale der UN, im Sicherheitsrat, der fortgesetzte 
Missbrauch des seit 1945 nur fünf Ländern zugestandenen Vetorechts 
nicht institutionell eingedämmt wird, so lange wird an den 
verheerenden Fronten dieser Erde weiter Stillstand herrschen. In 
Syrien hat diese Blockadepolitik nicht unwesentlich dazu beigetragen,
dass mehr als 250.000 Menschen sterben mussten. Eine Schande für die 
UN, die sich gerne ihrer moralischen Autorität rühmt. Zum 70. 
Geburtstag der Vereinten Nationen müssen sich die großen „Player“ 
Amerika, Russland, China, Großbritannien und Frankreich den Vorwurf 
gefallen lassen, die Welt in Geiselhaft genommen zu haben. Nicht den 
Vereinten Nationen gebührt die Kritik. Sondern jenen, die der 
Organisation, die man erfinden müsste, würde es sie nicht geben, die 
Instrumente vorenthalten, um ein wirksamer globaler Ordnungsfaktor zu
sein. 
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de