Neue Westfälische (Bielefeld): Anklage gegen Winterkorn Hart gegen Täter in Chefetagen Wolfgang Mulke, Berlin

Die US-Justiz will den früheren VW-Chef Martin
Winterkorn wegen der Abgasmanipulationen vor Gericht stellen.
Hierzulande ermitteln verschiedene Staatsanwaltschaften seit Jahren,
ohne dass es zu einer Anklage gegen die Führung des größten
Autobauers der Welt gekommen wäre. Das legt die kritische Frage nahe,
ob VW hierzulande geschont werden soll. Doch diese Erklärung nach dem
Motto, die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen, ist zu
einfach. So kooperieren die Ermittler der USA schon lange mit ihren
Kollegen in Braunschweig und Stuttgart. Wenn deren Anklageschrift
hieb- und stichfeste Beweise für eine frühe Kenntnis des einstigen
Vorstandschefs über illegale Abschalteinrichtungen enthält, drohen
sowohl Winterkorn als auch VW selbst ein dickes Ende. Den Konzern
könnte es in einem anderen Verfahren weitere Milliarden kosten. Denn
Aktionäre klagen auf Schadenersatz, weil sie nicht rechtzeitig über
die in den USA drohenden Sanktionen informiert worden seien. Lässt
sich dies mit Hilfe der Behörden jenseits des Atlantiks beweisen,
haben die Anleger gute Karten. Das deutsche Strafrecht belangt nur
Individuen. Winterkorn und anderen Betrug an den Kunden nachzuweisen,
fällt naturgemäß schwer und kann lange dauern. Hinweise auf eine
bewusste Verschleppung der Ermittlungen in Deutschland gibt es bisher
nicht. Nach der neuerlichen Wendung steigt die Wahrscheinlichkeit,
dass es am Ende doch genügend Hinweise auf eine Mitwisserschaft derer
ganz oben im Konzern geben wird. Dann wird es für Winterkorn richtig
ernst. Denn eine Betrugsanklage in Deutschland kann am Ende auch eine
Haftstrafe bedeuten. Sie würde zudem geprellten Kunden hierzulande
einen neuen Ansatz für Schadenersatzforderungen geben. Die denkbare
Kettenreaktion ließe sich noch weiter spinnen. Die Akte Abgas-Skandal
ist noch lange nicht geschlossen. Für den einen oder anderen mag das
deutsche Wirtschaftsstrafrecht unbefriedigend sein, weil die Täter zu
oft ungeschoren davonkommen. Doch spätestens mit den Steuerverfahren
gegen prominente Manager ist der Wille erkennbar, im Rahmen der
Gesetze auch hart gegen Täter vorzugehen. Die notwendige Zeit dafür
sollte den Ermittlern auch im Fall VW zugestanden werden. Bis dahin
gilt auch für Winterkorn die Unschuldsvermutung, nicht der Glaube an
den Anschein.

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