Auf der Homepage des Hebammenverbandes heißt es:
„Immer mehr Fälle von geburtshilflicher Unterversorgung in
Deutschland.“ Ich bin so ein Fall. Zwölf Stunden lag ich allein im
Kreißsaal. Das heißt, ganz allein war ich nicht. Da waren noch der
Bauch und die Schmerzen und die Angst. Und ab und an eine Hebamme –
wenn ich in meiner Verzweiflung nach ihr klingelte. Am Ende ging es
meiner Tochter und mir gut. Wir hatten alles bekommen, was es dazu
brauchte – Hygiene, Schmerzmittel, PDA und einen Notkaiserschnitt.
Trotzdem waren wir unterversorgt. Denn wir hatten nichts von dem, was
es braucht, um das zu schaffen, was Hebammen ein Geburtserlebnis
nennen: Beistand, Zeit, Ratschläge, Anleitung und Fürsorge. Eine
Beleghebamme, die mich in Schwangerschaft und zur Geburt begleitete,
konnte ich Monate zuvor in Bielefeld nicht mehr finden. Und meinen
Mann, der mehr als willig zum Spenden von Fürsorge angetreten war,
hatte das Klinikpersonal nach Hause befohlen. Für ihn war kein Platz
in dem Vierbettzimmer mit drei leeren Notfall-Betten. Man würde ihn
anrufen, wenn es wirklich losginge. Mein Fall ist einer, wie es ihn
vermutlich tausendfach im Jahr in Deutschland gibt. Er ist die
logische Konsequenz daraus, was passiert, wenn etwas so
Ursprüngliches und Emotionales wie Schwangerschaft und Geburt in die
kalkulierenden Mühlen von Wirtschaft und Rentabilität gerät. Die
Lösung für das Dilemma ist einfach: mehr Geld für Hebammenleistungen.
Nur so lässt sich der Hebammenberuf retten. Klingt einfach. Der
Haken: Es müsste schnell gehen. Wie aussichtsreich das ist, zeigt die
Stellungnahme des Gesundheitsministeriums NRW auf eine Anfrage zum
Thema. Dort beschäftigt man sich in den kommenden drei Jahren an
einem extra eingerichteten runden Tisch damit, wie man die Versorgung
durch Hebammen in NRW überhaupt ermitteln könnte. Da hat man keine
Fragen mehr. Und auch keine Zuversicht. Die Hebamme ist einer der
ältesten Frauenberufe. Immer schon haben seine Vertreterinnen schwere
Schlachten schlagen müssen. Im Mittelalter gegen die Kirche, in der
Neuzeit gegen die akademische Medizin. Der Gegner des 21.
Jahrhunderts heißt Versicherungsbranche. Und es sieht ganz so aus,
als ob die Geburtshelferinnen dieses Mal verlieren.
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